Für Hannes – Unser Weg mit Zolgensma®

Wir haben es gewagt!

Am 29.8. hat unser Sohn Hannes (2,5 Jahre, Typ 1, 13,9 kg) Zolgensma erhalten. Wir wurden gefragt, ob wir Interesse haben von unserer Reise zu berichten. Und da ich weiß, wie schwer es ist, zu entscheiden, welchen Weg man gehen soll, bin ich gerne bereit, hier unsere Geschichte zu teilen.

Eine kurze Vorgeschichte:

Unser Sohn Hannes wurde im Januar 2018 vermeintlich kerngesund geboren…. die ersten Wochen ist uns nichts aufgefallen, aber bereits nach wenigen Wochen war er kaum mehr fähig sich zu bewegen. Dank unserer aufmerksamen Hebamme sind wir sehr zügig zum Arzt und dann ins Krankenhaus gefahren und bekamen dort nach ein paar wenigen Untersuchungen die Diagnose, die eine Woche später genetisch bestätigt wurde: SMA Typ 1 mit 2 Kopien des SMN2-Gens. Hannes war damals ca. 10 Wochen alt und konnte im Grunde nichts mehr bewegen. Nur liegend, in Rückenlage die Hände (nicht die Oberarme) leicht von dem Boden abheben. Den Kopf bekam er nicht mal mehr bis zur Mittellinie gedreht. Seine Beine schienen komplett „tot“.

Mit 11 Wochen hat er seine erste Spinrazagabe erhalten. Seine letzte Gabe – Nr. 10 – erhielt er dieses Jahr im Mai. Wir verdanken Spinraza unglaublich viel. Unser Sohn hat motorisch unglaubliche Fortschritte gemacht: Er kann sich über den Boden kullern (also komplett drehen), kann Aktivrollstuhl fahren (wenn er gut drauf ist und nicht mit Sekret zu kämpfen hat) und kann wenige Sekunden frei sitzen. All das war bei Diagnose undenkbar. Aber: Leider hat er seit einem großen Infekt im Sommer 2018 große Sekretprobleme und muss mehrfach am Tag (im Schnitt ca. 50x) abgesaugt werden und benötigt im Schlaf eine Beatmung. Sein Hustenreflex ist sehr schwach. Und in Summe: Jeder Infekt bedeutet für ihn eine potenzielle Lebensgefahr. Zudem wird er vollständig über eine Magensonde ernährt.

Warum Zolgensma? – Unsere persönliche (!) Pro- und Kontraliste:

Die Frage „Zolgensma – Ja oder nein?“ hat uns sehr viele schlaflose Wochen gekostet…. Fakt ist: Unser Sohn ist sehr gut auf Spinraza angesprungen. Und das alles aufs Spiel zu setzen und auf volles Risiko zu gehen…. Das ist etwas, was uns sehr lange große Sorge bereitet hat. Es gibt keine Garantie, dass Zolgensma genauso gut wie Spinraza wirkt! Und die Wirkung von Spinraza kennen wir und sind diesem Medikament unendlich dankbar.

Zudem: Wenn Zolgensma einmal im Körper ist, ist es drin. Spinraza oder Risdiplam kann man (theoretisch) absetzen. Mit den noch gänzlich unbekannten Langzeitfolgen von Zolgensma muss man eben leben…. Es gibt keinen Weg zurück.

Hinzu kommt, dass unser Sohn mit 2.5 Jahren und 13,9kg sowohl vom Alter, als auch vom Gewicht her über den Erfahrungsgrenzen liegt. Nicht weit drüber, aber er liegt drüber. Es gibt keine Studien und kaum Erfahrungen, welche Auswirkungen Zolgensma auf ältere und schwerere Kinder hat… die Risiken sind folglich da. Und nicht unerheblich…und vor allem unbekannt. Man weiß nicht, was kommt. Alles hat irgendwo seinen Preis…oder etwa nicht? Es klingt manchmal alles zu schön, um wahr zu sein.

Aber am Ende überwiegten für uns die Pro-Argumente….

  1. Unser Sohn fing immer knapp einen Monat vor der nächsten regulären Spinraza-Gabe an, deutlich(!) instabiler zu werden. Der Abbau war merklich, auch wenn dieser Abbau nach der Spinraza-Gabe (meistens) wieder kompensiert wurde und immer wieder neue Fähigkeiten hinzukamen. – Was, wenn wir diese Phasen des Abbaus durch Zolgensma verhindern können? Die Hoffnung: Ein konstantes bergauf – vorausgesetzt, Zolgensma springt bei ihm so gut an wie Spinraza…
  2. Einmal mussten wir eine Spinraza-Gabe um 3 Wochen verschieben, weil unser Sohn am Tag vor der Gabe plötzlich einen Infekt mit hohem Fieber etc. bekommen hat. Der Infekt hielt nur 3 Tage. Danach war unser Sohn wieder fit. Aber das Krankenhaus hatte keine Kapazitäten frei und lies uns warten…und warten…und warten… Der Abbau in dieser Zeit war wirklich immens. Er ist zunehmend schwächer und schwächer geworden. Das war das erste Mal, dass nach einer Spinraza-Gabe ein Kraftschub ausblieb…er hat insgesamt zwei Spinraza-Gaben gebraucht, um wieder auf den Stand von vor dem Infekt zu kommen… das wollen wir nie wieder erleben. Zolgensma könnte uns dabei helfen…
  3. Die Auswirkungen, die das Verschieben der Spinraza-Gabe auf unseren Sohn hatte, sitzen bei uns psychisch tief. Und haben dafür gesorgt, dass wir immer anfingen, ca. 1 Monat vor der nächsten Gabe, unseren Sohn zu isolieren. Aus Angst, dass er wieder erkrankt und damit die Gabe verschoben werden muss. Das ist nicht nur für uns Eltern psychisch sehr belastend gewesen. Auch für unseren Sohn ist diese Isolation sicherlich nicht altersgemäß und das tat uns in der Seele weh. Auch, wenn natürlich auch nach Zolgensma Krankenhausaufenthalte anstehen, haben diese keinen solchen Zeitdruck. Sie sind verschiebbar. Eine Isolation in einem solchen Maße ist nicht mehr nötig.
  4. Zolgensma ist eine Einmalgabe. Das ist denke ich das Argument, das am häufigsten genannt wird. Und es stimmt: Wenn alles gut geht, fällt all dieser Stress, der mit jeder Spinraza-Gabe verbunden ist, weg. Es ist jedoch eine Illusion anzunehmen, dass das Kind bei Zolgensma nicht mehr ins Krankenhaus muss…aber dazu später mehr.
  5. Jede Spinraza-Gabe birgt auch Risiken… Bei jeder Spinraza-Gabe – die bei meinem Sohn prinzipiell nur unter Sedierung vorgenommen wurde – unterschreibt man den Aufklärungsbogen und nickt die Nebenwirkungen einfach ab…man hofft, dass es einen schon nicht trifft…eine Wahl hat man sowieso nicht. Aber auch wenn bei unserem Sohn bislang alles glimpflich verlaufen ist, haben wir durch die sehr gute Vernetzung mit der SMA-Community sehr viele Schreckenserlebnisse mitbekommen… von allergischen Reaktionen auf die Sedierung, die in der Intensivstation endeten, über nässenden Einstichstellen, wo das Rätselraten anfing: „Ist jetzt alles drin geblieben oder nicht?“ – Bis hin zu fehlgeschlagenen LPs… – Das ist natürlich GOTT SEI DANK kein Standard. Aber mit diesem Wissen im Hinterkopf wurde jede Spinrazagabe noch mehr zur psychischen Zerreisprobe…was wenn uns das mal passiert?!?
  6. Unser Sohn wird älter…und bemerkt immer mehr, was da mit ihm passiert. Wenn er keine LPs mehr braucht, ist das ein enormer Zugewinn an Lebensqualität und Freiheit.
  7. Es gibt keine empirischen Beweise dafür…doch Berichte und Theorien, die zumindest hoffen lassen, dass Zolgensma ggf. besser auf die Atmung und das Schlucken wirkt, als das Spinraza tut. Bei unserem Sohn konnten wir in diesen Bereichen unter Spinraza einen deutlichen Abbau beobachten…. Ein SMArty stirbt nicht, weil er nicht laufen kann… also: geht man aufs Ganze und riskiert alles, in der Hoffnung, dass der Bereich, der über Leben und Tod entscheidet, sich eventuell nicht mehr weiter verschlechtert? Oder vielleicht sogar verbessert? – Es ist ein Hoffnungsschimmer… eine Chance… aber natürlich keine Garantie.
  8. Alles ist im Wandel. Die Gesellschaft wandelt sich. Man muss nur mal die Kommentare unter Zeitungsberichten über Zolgensma lesen…Wie viel ist ein Menschenleben wert? – Spinraza ist eine lebenslange Therapie. Und dank Spinraza können wir auf ein längeres Leben unserer Kinder hoffen. Was ist, wenn sich das Krankenkassensystem verändert? Jetzt, wo immer mehr überteure bahnbrechende Medikamente auf den Markt kommen? Zolgensma ist nur der Anfang. Wenn man sich mal damit beschäftigt, wie viele ähnliche Medikamente bald kommen könnten, zu ähnlichen Preisen… Wie soll das finanziert werden? Auch die Mittel der Krankenkassen sind begrenzt. Wird es irgendwann eine „finanzielle Obergrenze“ pro Person geben? Wird Spinraza vielleicht irgendwann nicht mehr bezahlt? – das mag nach Sciencefiction klingen und wird auch sicherlich nicht in den nächsten Jahren eintreffen…aber was ist in 15, 20, 25 Jahren? Wer kann mir garantieren, dass mein Sohn die für ihn lebensnotwendige Therapie ein Leben lang bekommen kann? – Klar: Es gibt immer mehr Alternativen und die Forschung geht weiter. Wer weiß, was in einigen Jahren ist und ob die Preise nicht auch deutlich sinken werden. Aber dennoch ist das alles eine Überlegung, die mich beunruhigt. Und die aus meiner Sicht auch in einem gewissen Rahmen eine Berechtigung hat (man muss nur mal ins anliegende Ausland schauen), auch wenn sie nicht überbewertet werden sollte.
  9. Last but not least: Unser Neurologe des Vertrauens hat uns dabei unterstützt, diesen Weg zu wagen. Er war optimistisch, dass Zolgensma bei unserem Sohn mindestens genauso gut und vielleicht sogar einen wenig besser wirken wird, als Spinraza und hat uns in unseren Überlegungen der Pro-und-Kontra-Abwägung unterstützt. Hätte er uns von Zolgensma vehement abgeraten, wären wir den Schritt mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nicht gegangen.

Auch Risdiplam ist natürlich jetzt eine Alternative zu Zolgensma und Spinraza. Uns fehlten da – Stand heute – aber noch die Studienergebnisse….und unser Arzt hat uns tendenziell eher zu Zolgensma geraten…daher ist Risdiplam kaum in unsere Entscheidungsfindung eingeflossen.

Auch die eventuell irgendwann mal kommende intrathekale Version von Zolgensma steht natürlich immer wieder im Raum…aber wird sie wirklich kommen? Wann wird sie kommen? Wird unser Sohn bis dahin Antikörper entwickeln?…

Ihr seht, wir haben alle Argumente – die Pros und Kontras – immer und immer und immer wieder durchdacht. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber wir stehen dazu. Bis heute. Und waren bei der Gabe selbst erstaunlich entspannt, denn wir haben das Gefühl zu wissen, worauf wir uns einlassen, auch wenn wir es nicht wirklich wissen. Aber wer weiß schon, was die Zukunft bringt?

Der lange Weg bis zur eigentlichen Gabe:

Die Entscheidung, dass unser Sohn Zolgensma bekommen soll, ist – zusammen mit seinem Arzt – bei der letzten Spinraza-Gabe im Mai 2020 gefallen. Die Markteinführung von Zolgensma erfolgte dann am 1. Juli… wir waren uns sicher: Es geht bald los! Nichts ahnend, dass doch alles nicht so einfach ist.

…Zunächst wurden wir von der Klinik hingehalten, weil diese noch einige rechtliche Regelungen vor Beantragung von Zolgensma treffen wollten. Dann bekamen wir endlich den Anruf, dass wir zum Antikörpertest in die Klinik kommen können. Das Ergebnis war relativ schnell da, aber die Beantragung durch das Krankenhaus hat wieder 2 Wochen in Anspruch genommen…

…eigentlich sollte man meinen, dass ein zugelassenes Medikament, welches vom behandelnden Neurologen, welcher ausgewiesener Experte für SMA ist, beantragt wird, ohne Probleme genehmigt wird. Aber dem ist nicht so. Anscheinend müssen alle Krankenkassen erstmal ein paar Gerichtsverfahren verlieren, bis sie einsehen, dass es sinnlos ist, die Familien so lange hinzuhalten und ihnen das Leben noch schwerer zu machen, als es ohnehin ist. Kurz gesagt: Es brauchte gefühlte 1000 Telefonate mit der Krankenkasse, ein persönliches Einschalten des Neurologen, einen Rechtsanwalt mit Eilklage vorm Sozialgericht und – nach vielen verschiedenen Kontaktpersonen bei der Krankenkasse – eine Sachbearbeiterin, die nicht nur Sachbearbeiterin, sondern vor allem Mensch ist – bis wir nach einem heftigen Kampf endlich die telefonische Zusage erhielten…

Wieder dachten wir: ENDLICH geht es los. Es bedurfte von unserer Seite eigentlich nur noch einer Wiederholung des Antikörpertests, welcher natürlich schon abgelaufen war (Gültigkeit: 4 Wochen). Doch: Unsere Klinik hatte leider noch immer nicht die vertraglichen Regelungen mit Avexis abgeschlossen. Kurzum: Bevor nicht alle versicherungsrechtlichen Fragen geklärt sind, ist in diesem Krankenhaus keine Behandlung möglich…

…wir haben gewartet…und gewartet…und gewartet… die nächste Spinraza-Gabe war für Anfang September vorgesehen… aber wir wollten ja Zolgensma! – Leider wurden wir immer weiter vertröstet und mussten eine Entscheidung treffen: Noch eine Spinraza-Gabe mitnehmen und dann 2 bis 3 Monate danach Zolgensma geben? Oder eine andere Klinik suchen. – Kein leichter Schritt, aber ein Herauszögern der Zolgensma-Gabe kam für uns bei einem Gewicht von 13,9 kg und einem Alter von 2,5 Jahren nicht in Frage. Hinzu kam, dass wir Zolgensma nicht unbedingt während der Hauptinfektsaison geben wollten. Und was, wenn er doch noch Antikörper entwickeln sollte? Also haben wir eine Klinik nach der anderen angerufen und wurden dann auch endlich fündig. Eine Ärztin nahm sich unserer persönlich an und hat es geschafft, innerhalb von zwei Wochen eine Zolgensma-Gabe für unseren Sohn möglich zu machen. Entfernung: ca. 250km von unserem Wohnort. – aber was will man machen? Wir sind heute sehr glücklich und dankbar, diesen Weg gegangen zu sein.

Es geht los – Ablauf der Zolgensma-Gabe:

Wir wurden einen Tag vor der Zolgensma-Gabe im Krankenhaus stationär aufgenommen. Es folgten zahlreiche Voruntersuchungen: Kardiogramm, Ultraschall des Herzens, Ultraschall des Bauchraums (insbesondere Leber), ein Ganzkörpercheck (Reflexe (natürlich nicht vorhanden…), Abhören der Lunge, Kontrolle von Augen, Ohren etc.). Unser Highlight: Für Zolgensma ist vorgesehen, dass das Kind zwei Zugänge liegen hat, damit es im Notfall einen Backup-Zugang gibt…. Leider ist es bei unserem Sohn schon eine Herausforderung EINEN Zugang zu legen…. Nach einigen Fehlversuchen haben es die Ärzte dann auch bei einem Zugang belassen… sollte dieser tatsächlich während der Gabe kaputt gehen, hat der Arzt wohl 8h Zeit, einen neuen Zugang zu legen und das restliche Medikament zu verabreichen… Natürlich wurde auch Blut abgenommen, um einen vorliegenden Infekt auszuschließen. Am Abend bekam unser Sohn dann seine erste Dosis Cortison… das war der Moment wo man anfing zu realisieren, dass es tatsächlich losgeht… zusätzlich zum Cortison begannen wir auch einen Magenschutz zu geben (Omeprazolsaft). Nachts wurde noch ein Schlaflabor gemacht, um ein aktuelles Bild von der Beatmungssituation vor der Gabe zu bekommen.

Am Tag der Gabe herrschte große Aufregung. Und das nicht nur bei uns Eltern… es erfordert schon Mut, ein 2 Millionenmedikament durch die Gegend zu tragen! Die Schwester war sichtlich erleichtert, als die Spritze endlich im Perfusor eingelegt war. Mir als Mama kam die Ehre zu Teil, auf Start zu drücken… The Point of no return… Und was folgte war gänzlich unspektakulär. Die Infusion lief eine Stunde durch, die Spritze musste einmal gewechselt werden…diesmal kam dem Papa die Ehre zu Teil, Start zu drücken…und dann war es vorbei…. Und wir begannen zu warten… Auf irgendetwas… unserem Sohn ging es super. Alles war, als wäre nichts gewesen…

Die Tage nach der Gabe:

Zwei Tage nach der Gabe erfolgte die erste Blutuntersuchung. Wie erwartet, war die Anzahl der Thrombozyten etwas vermindert [276; vor der Gabe hatte er 364], die Leberwerte waren noch unverändert [31]. Alles im erwarteten Bereich. Nichts, was den Ärzten Sorgen machte. Hannes zeigte nach wie vor keinerlei Anzeichen für Nebenwirkungen. Es war einfach alles wie immer. Theoretisch hätten wir sogar heim gedurft. Aber von anderen Betroffenen wussten wir, dass Nebenwirkungen und Veränderungen im Blut oft auch erst am 4. oder 5. Tag nach der Gabe auftreten können. Also entschieden wir uns – bei 250km Entfernung – noch ein paar Tage dranzuhängen.

Tatsächlich begann an Tag drei nach Gabe das Erbrechen, dicht gefolgt von hohem Fieber. Der Virus begann sein Werk. Unser Sohn konnte nur wenig Flüssigkeit und Nahrung zu sich nehmen. Die Übelkeit hat man ihm sichtlich angesehen. Durch Vomex und Ibuprofen haben sich die Nebenwirkungen aber gut bändigen lassen. Es gab keine Situation, die wir zuhause nicht hätten auch gut gemeistert bekommen. Aber trotzdem waren wir ganz froh, noch in der Klinik zu sein. Denn man weiß ja nie, in welche Richtung es umschlägt. Ab Tag 5 nach der Dosis ging es Hannes aber deutlich besser.

An Tag 4 nach der Dosis wurde sein Blut nochmal kontrolliert und zeigte, dass die Leberwerte langsam anstiegen [72] und die Thrombozyten sanken [62] – alles im Bereich des Erwarteten. Hinzu kam ein weiterer Ultraschall seiner Leber, welche aber nach wie vor unauffällig war.

Ab Tag 6 nach der Dosis sind wir dann nach einem erneuten Bluttest – der zeigte, dass die Leberwerte stiegen [96], aber noch im grünen Bereich waren und dass die Thrombozyten sogar schon wieder anstiegen (was positiv ist) [123] – endlich nach Hause gefahren. Unserem Sohn ging es soweit gut, auch wenn ihn die Übelkeit und gelegentliches Erbrechen bei zu viel Nahrung oder Flüssigkeit noch ein paar Tage begleiteten.

Wieder zuhause angekommen, bekamen wir jedoch noch weitere Nebenwirkungen der Cortisongabe zu spüren: Aus unserem eigentlich total geduldigen und genügsamen Sonnenschein wurde ein meckeriges, ungeduldiges Schreikind, welches eskalierte, sobald etwas nicht so lief, wie er es wollte. Des Weiteren bemerkten wir Wassereinlagerungen im ganzen Körper sowie sehr rote Bäckchen. Aber alles noch ein vertretbarer Preis für die erhoffte Wirkung.

Eine Woche nach der Gabe haben wir noch vorbeugend eine Antibiotikatherapie begonnen, welche unser Sohn bis zwei Monate nach der letzten Cortison-Gabe fortsetzen soll.

Was muss man nach der Gabe beachten?

Nach der Gabe scheidet das Kind den Virus nach und nach aus. Die ersten 7 Tage kann der Virus über die Atemluft weitergeben werden, über die Ausscheidungen sogar bis zu 30 Tage – so wurde es uns zumindest erklärt. Wir sind daher die ersten 9 Tage (wir haben es selbst verlängert) nur mit Mundschutz in die Nähe unseres Sohnes gegangen, um ein Weitertragen des Virus – und damit eine ggf. Immunisierung anderer Betroffene – zu verhindern. Natürlich sollte man in der Zeit den Kontakt zu anderen SMArties tunlichst meiden. Hannes muss nun einen Monat mit Handschuhen gewickelt und die Windel in einem eigenen Plastikbeutel separat entsorgt werden. – Wir hoffen natürlich, dass diese Vorsichtsmaßnahmen ausreichen. Aber 100% sicher ist man ja nie… gut, dass wir Kontakt nach außen so weit wie möglich meiden. Letzteres tun wir natürlich auch, um unseren Sohn zu schützen. Durch das Cortison wird das Immunsystem heruntergesetzt. Die Kinder werden anfälliger für Infektionen. Also sollte man nochmal mehr aufpassen, als ohnehin. Aus diesem Grund sollte auch für die Dauer der Cortison-Gabe – und eine Weile darüber hinaus – keine Impfung durchgeführt werden. Dringendere Impfungen sollten also idealerweise VOR der Zolgensma-Gabe gemacht werden.

Gibt es schon Veränderungen? Fortschritte?

Die Zolgensma-Gabe liegt jetzt ca. 1,5 Wochen zurück. Aus unserer Sicht ist es viel zu früh, jetzt schon von irgendwelchen Wirkungen zu berichten. Es gibt immer wieder Geschichten, dass sich der Zustand des Kindes direkt – also wenige Stunden – nach der Gabe bereits verbessert hat. Ich war und bin da immer skeptisch, denn das entspricht eigentlich nicht der Funktionsweise des Virus. Verbesserungen in der Atmung könnten ggf. auch auf das Cortison zurückzuführen sein. Aber ich bin kein Arzt. Ich habe immer gesagt: Ich lasse mich gerne persönlich davon überzeugen. Aber bei unserem Sohn habe ich in den ersten Tagen nach der Gabe keinerlei Veränderungen bemerkt und nach ein paar Tagen war er aufgrund der Nebenwirkungen in so einer schlechten Verfassung, dass man den Zustand ohnehin nicht hätte objektiv beurteilen können. Laut den Ärzten braucht der Virus eigentlich etwa eine Woche, bis er wirklich seine Wirkung entfaltet. Wir haben auch immer mal das Gefühl, dass etwas anders ist. Vielleicht etwas mehr Kraft. Vielleicht weint er etwas lauter. Vielleicht hustet er etwas kräftiger. Vielleicht ist sein Rumpf etwas stabiler. Aber: Es ist alles noch sehr diffus und nicht zu greifen. Es wird denke ich noch einige Wochen brauchen, bis wir wirklich von der Wirkung von Zolgensma berichten können. Was wir aber schon festhalten können: Wir konnten seit der Zolgensma-Gabe KEINE Verschlechterungen beobachten… und befinden uns jetzt knapp eine Woche, bevor Spinraza wieder fällig wäre… das lässt uns hoffen. Aber was ist Einbildung? Was ist Wirklichkeit? Wie viel Wunschdenken beeinflusst unsere Beobachtungen? – Als Wissenschaftlerin bin ich von Haus aus Skeptikerin und suche nach handfesten Beweisen. Wir hoffen sehr, dass wir diese ganz bald liefern können und dass viele positive Entwicklungen auf uns warten. Gerne halten wir euch auf dem Laufenden.

Wie geht es jetzt weiter?

Es erfolgen jetzt einige Nachuntersuchungen. Je nach Blutwerten wird die Dosis an Cortison gesteigert oder gesenkt. Es ist damit zu rechnen, dass unser Sohn es noch einige Wochen bis Monate nehmen muss.
In Woche 3 und 4 nach der Gabe erfolgt eine ambulante Blutentnahme in der Klinik. In Woche 5 ein stationärer Aufenthalt. Dann sind Kontrolluntersuchungen im 2 Wochen Rhythmus. Die Abstände werden langsam größer und neben den ambulanten Untersuchungen werden auch noch einige Male stationäre Aufenthalte erforderlich sein. Langfristig ist vorgesehen, dass unser Sohn im 4-Monats-Rhythmus für 2 Tage stationär aufgenommen wird, um den weiteren Verlauf zu kontrollieren und auch eine Vergleichbarkeit mit Spinraza herzustellen… denn die Forschung geht (Gott sei Dank) weiter und soll hoffentlich zukünftigen Generationen die Entscheidung für das eine oder andere Medikament deutlich vereinfachen.

…alles andere lassen wir auf uns zukommen…denn wie es wirklich weitergeht, wird nur die Zeit zeigen.

Seiten: 1 2