Das Arbeits- und Privatleben in Zeiten von Corona (Mai – September 2020)

Inzwischen sind mehr als zwei Monate vergangen und ich nehme, wie auf der Website „treat-nmd.de/register“ für SMA-Patienten empfohlen wird, Vitamin D ein um mein Immunsystem zu stärken. Sonst bin ich immer noch in Sicherheitsquarantäne bei mir zu Hause. Kontakt habe ich nur mit meinen Eltern, mit meiner Schwerster und ihrem Freund, die in der Zwischenzeit wieder zu uns gezogen sind und jetzt im oberen Bereich unseres Hauses wohnen. Einmal hatte ich Kontakt mit Lisa, die kurz nach Ostern zu mir gekommen ist, um die Ostergeschenke auszutauschen. Lisa stand vor unserem Haus auf der Treppe und ich in der Haustür, zwischen uns mehr als zwei Meter, wir waren uns so nah aber gleichzeitig auch so fern. Es war irgendwie ein wenig befremdlich, der Abstand zwischen uns und keine Umarmung zur Begrüßung und zum Abschied. Das kurze Treffen war die schönste Abwechslung zwischendurch und ich bin Lisa dafür wirklich sehr dankbar! Sonst halte ich über WhatsApp Kontakt mit meinen Freunden, Kollegen und telefonischen Kontakt zu meinem Opa und der einen Bewohnerin, über die ich die Biografie geschrieben hatte. Ich wusste ja, warum wir uns daran halten, erstens, weil ich mich schützen muss, da ich Risikopatientin bin und zweitens, weil ich andere schützen bzw. nicht anstecken will, falls ich infiziert sein sollte, was bei mir so gut wie ausgeschlossen war. Und weil es von der Regierung Regelungen gab.

Als es dann von der Regierung Lockerung gab und man sich mit der Familie treffen durfte, machten meine Eltern und ich das auch nicht. Mein Papa hatte Angst, dass ich mich durch meinen Opa, meine Tante, meine zwei kleinen Cousinen und meinen kleinen Cousin anstecken könnte (sie wohnen in der selben Hausgemeinschaft und hatten aus diesem Grund täglichen Kontakt). Sonst hatte mein Opa selbstverständlich auch noch Kontakt zu meiner anderen Tante, die im Krankenhaus arbeitet und ihren drei Kindern, durch die Lockerungen kamen auch noch mehr Kontakte hinzu. Meine Eltern fuhren nur zum Einkaufen und als es Lockerungen gab dann auch wieder zur Arbeit. Ich bekam dadurch ein schlechtes Gewissen, da ich wusste, wie gerne meine Mama ihren Papa, ihre Schwester und meine Cousinen und Cousin sehen wollte. Für meine Mama war die Trennung wirklich schrecklich und ich hörte sie sogar manchmal weinen. Für mich war es einfach schrecklich, dass meine Eltern meinetwegen darauf verzichten mussten, ich mag es überhaupt nicht, wenn man wegen meiner Erkrankung auf mich besonders Rücksicht nehmen muss!

Zusätzlich machte ich mir noch Gedanken um meine berufliche Zukunft: mein Arbeitsvertrag lief offiziell noch mehr als zwei Monate und ich fand es jetzt schon schrecklich, mein Gehalt zu bekommen, obwohl ich nicht arbeiten gehe.

Ich war mir sicher, dass ich wegen des Beschäftigungsverbots keinen Folgevertrag erhalte, ich würde es auch schlimm finden, wenn ich einen neuen Arbeitsvertrag erhalte, und ich wegen des Virus immer noch nicht weiterarbeiten kann. Deshalb überlegte ich mir Alternativen, ich dachte an eine zusätzliche Qualifikation zur Sterbebegleitung. Dies konnte ich mir gut vorstellt, da ich als Betreuungskraft damit auch immer wieder konfrontiert werde.

Ich weiß noch genau, wie nah es mir gegangen war, als ich meiner ersten Seniorin, die letzten Stunden die sie noch am Leben war, zur Seite stand. Ich hatte mit ihr ein sehr gutes Verhältnis und wusste genau, was sie gerne mochte, deswegen habe ich ihr ihre Lieblingsgeschichten vorgelesen. Als dann ihre Kinder kamen, sagte ich welche Geschichten sie noch weiterlesen könnten, wenn sie es mögen. Sie waren dafür sehr dankbar, ich bin dann kurz zu einer anderen Bewohnerin gegangen und als ich das Zimmer verließ, teilte mir Sabine mit, dass die Seniorin jetzt verstorben sei. Ich sagte, ich wolle nochmal zu ihr und mich verabschieden, für mich war es das erste Mal, dass ich eine verstorbene Person gesehen habe, sie sah sehr friedlich aus und jemand hatte ihr ihre Lieblingsblumen in die Hände gelegt. Mir ging es sehr nah, da begann ich zu weinen. Sabine und ich gingen nach hinten in einen Raum, wo wir dachten, dass wir alleine sind. Das waren wir aber nicht, ihre Kinder waren da, sie nahmen mich in den Arm und sagten sie fänden es schön, dass ihre Mutter mir so am Herzen lag. Mir war es unangenehm und ich fand es war auch unprofessionell, aber ich bin nun mal ein Mensch und kein Roboter und damals hatte ich die Qualifikation auch noch nicht absolviert. Aber dadurch, dass ich mich emotional geöffnet habe, konnten dies auch zum ersten Mal ihre Kinder tun, sie ließen auch ihre Trauer zu und wir weinten kurz gemeinsam. Anschließend erzählte ich den Kindern noch von meinen Erlebnissen mit ihrer Mutter, das half uns damit umzugehen. Danach ging ich zu meinen anderen Senioren und machte mit ihnen was Schönes.

Nach einer Stunde ging ich noch mal zu den Kindern der Seniorin, ich fragte sie, ob sie heute schon etwas gegessen und wann sie das letzte Mal etwas getrunken haben, es war schon sehr lange her oder hatte heute noch nicht stattgefunden. Ich ging in die Küche holte Gläser, eine Flasche Wasser und etwas Obst. Ich sagte, sie sollten zumindest ein bisschen Obst essen und etwas trinken, ich sagte, wenn das ihre Mutter nämlich wüsste, würden sie und ich bestimmt Ärger bekommen und ich finde in diesen schweren Momenten, sollten wir auch für die Angehörigen da sein. Eines der Kinder fragte mich, ob sie das Buch noch etwas behalten dürfte, sie wollte es sich nachkaufen, um die Lieblingsgeschichten der Mutter nachlesen zu können. Ich sagte selbstverständlich ja!

Nach ein paar Wochen fand ich einen Zettel von einem der Kinder, auf dem Zettel bedankte Sie sich für alles und auch das Buch bekam ich zurück. Bis heute habe ich diesen Zettel aufgehoben, da er mir viel bedeutet.

Durch diese Qualifikation könnte ich dann lernen besser damit umzugehen und wie ich den Sterbenden noch eine angenehme Zeit bereiten kann. Ich fragte bei der Agentur für Arbeit nach, ob sie mir die Qualifikation finanzieren würden. Sie verneinten, es sei denn, es würde von meinem Arbeitgeber gefordert werden.

Dann machte mir Lisa noch den Vorschlag Soziale Arbeit zu studieren, ich informierte mich und die Voraussetzungen dafür brachte ich alle mit. Ich fand das Studium auch interessant und es würde sogar ein Fernstudium in Teilzeit geben, aber wenn ich ehrlich bin, ich wollte nicht die zusätzliche Qualifikation und auch nicht das Studium machen. Ich wollte einfach wieder weiterarbeiten, ich liebe meine Arbeit, sie erfüllt mich voll und ganz. Als der Arzt damals gesagt hat, ob mir die Arbeit oder mein Leben wichtiger sei, fand ich das irgendwie eine schwere Frage. Mein Leben ist meine Familie, Freunde und meine Arbeit und wenn dir davon eins genommen wird, ist das schon nicht einfach für einen! Wenn man so lange in Isolation ist, wie ich jetzt ist es glaube ich selbstverständlich, dass ich ein Gefühlschaos durchmache, es war schon wirklich seltsam: mal war ich zufrieden, dann depressiv und manchmal gab es Tage, wo ich nur weinen wollte.

Als dann die Infektionszahlen zurück gingen, musste ich zu meiner Hausärztin, weil ich Magenbeschwerden hatte, die sich als eine Magenschleimhautentzündung herausstellten (die Ärztin vermutete Stress als Auslöser und verschrieb mir Tabletten). Ich fragte, ob ich jetzt nicht wieder arbeiten könne, da die Infektionszahlen fallen? Die Ärztin sagte: „Ja genau, die Infektionszahlen fallen und dadurch wird es unwahrscheinlicher sich zu infizieren, dennoch wissen Sie ja wie gefährlich es ist, wenn Sie sich infizieren würden“. Ich entgegnete: „Wenn ich während der gesamten Arbeitszeit eine Maske und Handschuhe trage würde, würde es dann gehen?“. Sie antwortete: „Wir machen es so, wir beobachten zwei Wochen die Lage und dann sprechen wir nochmal darüber“. Dann meinte sie: „Ich kann Ihnen nur eine Empfehlung geben, aber Sie müssen es dann selbst entscheiden“. Ich hätte am liebsten sofort ja gesagt, dann sah ich aber wie schrecklich es aussieht, wenn man durch das Virus auf die Intensivstation kommt und ums Überleben kämpft. Dadurch bekam ich plötzlich zum ersten Mal Angst, nicht in erster Linie um mich, sondern um meine Eltern. Ich dachte was wäre, wenn ich mich an der Arbeit infiziere und ich dann meine Eltern anstecke? Besonders dachte ich da an meinen Papa, da er Asthma, Bluthochdruck usw. hat, das würde ich mir im Leben nie verzeihen können.
Oder meine noch schlimmere Vorstellung: ich infiziere beide und sie versterben, das war für mich eine Horrorvorstellung. Ohne meine Eltern und ohne meine Arbeit, hätte mein Leben keinen Sinn mehr. Diese Gedanken wollte ich nicht noch weiter ausufern lassen, damit mache ich mich nur verrückt. Deswegen beruhigte ich mich und beschloss die nächsten zwei Wochen die Infektionszahlen zu beobachten und dann auf die Empfehlung der Ärztin zu hören.

In dieser Zeit fing ich an, meinen Freunden meine Biografie zu zeigen, Lisa und Sarah lasen es sofort und waren begeistert. Sie machten aber noch mehr, die beiden machten mir Mut und sagten, ich sollte es an einen Verlag oder ähnliches schicken. Sie meinten es wäre für andere interessant und würde ihnen Mut machen. Ich dachte erst niemals, aber als ich dann genauer darüber nachdachte, kam mir dieser Gedanke: es wäre vielleicht wirklich für andere Patienten mit SMA und deren Eltern oder zukünftige Eltern eines Babys, die an SMA erkrankt sind, interessant. Ich könnte dadurch wichtige Aufklärungsarbeit leisten und ein Einblick in das Leben mit der Erkrankung geben, vielleicht würde ich dadurch auch zu einer Veränderung in der Gesellschaft beitragen und das Schubladendenken würde weniger werden. Oder durch meine Hinweise ändert sich was an den Gesetzen und die Gleichstellung geht voran. Durch das Nachdenken fand ich, meine Freunde haben recht, ich will was verändern und das ist vielleicht die einmalige Gelegenheit. Ich überarbeitete die Biografie immer und immer wieder, da ich wusste, dass meine Rechtschreibung nicht perfekt ist. Ich bin mir oft nicht sicher, ob man „einen“ oder „einem“ schreibt oder „den/dem“ oder „das“ mit einen „s“ oder „ss“ oder bei der Kommasetzung. Jetzt kennen Sie eine meiner Schwächen, die anderen behalte ich für mich ;)
Deswegen bat ich Lisa meine Biografie zu überarbeiten. Lisa sagte sofort ja, sie mache es gerne für mich. Ich war ihr so DANKBAR, aus diesem Grund nochmal: Danke Lisa! Nach der Überarbeitung beschloss ich meine Biografie an die Initiative SMA zu schicken.

Nach einem kurzen Mailaustausch, und einer langen zwischenzeitlichen Pause empfahl man mir doch mal bei Patientenstimme SMA anzufragen … doch dazu später mehr.

Nun waren die zwei Wochen um und ich rief die Ärztin an, erst sprachen wir über meine Magenprobleme, die noch nicht wirklich besser geworden waren. Ich sollte meine Symptome nochmal schildern: Schmerzen im Magenbereich, Übelkeit, Verschleimung, Räusperzwang nach dem Essen und Schluckprobleme. Meine Ärztin vermutete, wie gedacht, den Magen, aber wahrscheinlich eher ein Problem mit der Magensäure. Ich sollte, bis die Beschwerden weg sind, Pantoprazol 40 mg nehmen und tatsächlich: nach ein paar Wochen wurden die Beschwerden besser, aber sobald ich mit den Tabletten aufhörte, kamen die Beschwerden leider wieder zurück. Aus diesem Grund nehme ich die Tabletten erstmal auf eine unbestimmte Zeit weiter. Dann kamen wir auf das Corona-Virus zusprechen, sie sagte, die Zahlen seien weiter niedrig, dennoch ist das Virus nicht aus der Welt und eine Impfung gäbe es noch nicht. Nur wenn wir darauf warten, dann werden es vielleicht noch Jahre. Ich dürfe wieder arbeiten gehen, müsse aber die gesamte Zeit eine Maske und Handschuhe tragen und wenn möglich, den Mindestabstand einhalten.

Ich fragte auch nochmal bei meinem Neurologen in der Uni nach, er sagte er halte es für vertretbar, wenn ich mich an die Schutzmaßnahmen halte. Ich freute mich und hatte gleichzeitig Angst, ich wollte aber wieder arbeiten, da mir zu Hause die Decke auf dem Kopf fiel und ich es langsam mit der Psyche bekam. Ich fühlte mich isoliert bzw. ausgegrenzt, ich bekam Angst vor Kontakt mit anderen und das wollte ich verhindern, bevor es krankhaft wird.

Deswegen verstehe ich die anderen nicht, dass sich tatsächlich Menschen schlagen, weil sie eine Maske tragen müssen oder den Mindestabstand nicht einhalten und demonstrieren gehen, weil sie die Existenz des Virus leugnen und sich eingesperrt fühlen. In gewisser Weise habe ich Verständnis für die Demonstranten, natürlich bekommt man durch eine Maske schlechter Luft und den Abstand einzuhalten, bei den Menschen die einem am Herzen liegen, ist befremdlich bzw. komisch und wir alle wollen die Normalität zurück. Das schaffen wir aber am schnellsten, wenn wir uns an die Regelungen halten, dadurch zwingen wir das Virus in die Knie.

Sie können immerhin noch zur Arbeit und zum Einkaufen, die, die wirklich eingesperrt und ausgeschlossen werden, sind die ganzen Risikopatienten, die sich zu Hause und in Heimen befinden. Ich wäre so froh gewesen für diese Zeit, also zum Einkaufen und zur Arbeit, rauszukommen. Aus diesem Grund wurde ich wirklich sauer, wenn ich in den Nachrichten sah, dass sich einige weigern die Masken zu tragen, den Mindestabstand einzuhalten und sich zu Versammlungen/Demonstrationen treffen, da sie nicht an die Existenz des Virus glauben. Ich finde es ist ein absolut verantwortungsloses Handeln, man sollte in diesen Zeiten zusammenhalten und an andere denken, als an sich selbst. Man sollte sich vorbildlich verhalten, um zu vermeiden, dass sich andere wegen einem selbst infizieren und im schlimmsten Fall sogar versterben. Kann man damit leben, ein Menschenleben auf dem Gewissen zu haben?!

Nur wenn jeder Einzelne sich vorbildlich verhält, kommen wir schneller zur Normalität zurück. Wenn ich wieder Arbeiten gehen werde, werde ich mich penibel an die Hygieneregeln usw. halten, weil ich Verantwortung für fast 80 Senioren, meine Kollegen und meine Assistentinnen habe. Ich würde mir auf ewig Vorwürfe machen, wenn sich jemand meinetwegen infizieren würde. Dieses Verantwortungsbewusstsein wünsche ich mir auch von meinen Mitmenschen, wir sind alle dafür verantwortlich, wie es enden wird!

Es waren noch zwei Wochen bevor ich wieder zu Arbeit durfte, ich war schon aufgeregt, nervös, voller Vorfreude und etwas ängstlich. Ich rief beim Rollstuhltaxi an und informierte sie, dass ich ab dem 02.Juni.2020 wieder Arbeitsfahrten benötigte und versicherte mich noch, dass die Fahrer auch Masken tragen, das würden sie tun, wurde mir versichert.

Danach rief ich bei dem Anbieter an und sagte, dass ich wieder arbeiten darf und sie meine Assistentin aus der Kurzarbeit holen können. Dann informierte mich die Dame vom Anbieter, dass meine Freitagsassistentin nicht mehr bei ihnen beschäftigt ist und sie jetzt nach einer neuen Assistentin für mich suchen.

Am selben Nachmittag riefen sie zurück und sagten, dass sie schon eine Assistentin für mich hätten und zwar Kirke. Ich freute mich, dass sie so schnell jemanden fanden und dass es dann auch noch eine Freundin von mir ist und nicht wieder jemand fremdes an den ich mich erst gewöhnen muss, fand ich super!

Ich freute mich sehr Kirke wiederzusehen, wir hatten uns schließlich seit der IGS nicht mehr gesehen. Wir hatten zwar immer Kontakt über WhatsApp oder Telefon aber persönlich nicht mehr seit der IGS. Dennoch war es auch eine komische Situation für mich, da ich ja so gesehen ihre Chefin war und ihr Anweisungen geben muss. Das stellte ich mir komisch vor, aber ich bin mir sicher, wir werden ein gutes Team auf Arbeit sein.

Ich bat Shukrije mir ein Foto von dem Dienstplan zu machen, den tippte ich ab und schickte ihn per Mail an den Fahrdienst und über WhatsApp an Kirke und Sabine, damit sie wissen, wann sie, also der Fahrdienst, eigentlich Rollstuhltaxi fahren muss und wann nicht und die anderen beiden, wann sie arbeiten müssen und wann nicht. Endlich hatte ich alles geklärt!

Beim stöbern im Internet las ich dann vom Härtefallprogramm und einer Telefonnummer der Medical Information von Roche, an die man sich wenden kann, wenn man Fragen zu einem Härtefallantrag zu Risdiplam hat. Ich rief dort an, sie waren wirklich sehr freundlich und erklärten mir, dass man für Typ 2 wahrscheinlich in Juni/Juli einen Antrag stellen darf. Darüber freute ich mich sehr, da wir uns schon im Mai befanden. Ich schrieb meinem Neurologen eine E-Mail mit der Information, dass wir im Juni/Juli einen Antrag stellen können. Dies war ihm schon bekannt. Zusätzlich schrieb er noch, dass wir dann eine neue bzw. aktuelle MRT-Aufnahme benötigen. Ich fragte, ob es im Moment nicht besser wäre, nicht ins Krankenhaus zu kommen, wegen eines MRT, um sich nicht mit dem Corona-Virus zu infizieren. Er meinte, da habe ich recht, wir sollten noch ein paar Wochen/Monate warten oder bis es überstanden ist. Ich sah es genauso, überlegte es mir dann aber innerhalb von einer Woche anders. Ich weiß, verrückt, aber ich dachte vielleicht ist es jetzt doch besser, da die Zahlen im Moment niedrig sind und ich dachte auch, falls wirklich eine zweite Welle kommt, würde sich der Härtefallantrag immer weiter und weiter nach hinten verschieben. Es gab aber auch noch einen anderen Grund, ich hatte bei Stern-TV die kleine Hannah gesehen, die auch SMA hat und vor kurzem das Medikament Zolgensma bekommen hatte. Es zeigte bei ihr sogar schnell Erfolge, sie konnte selbstständig sitzen und konnte jetzt einen Muskelwiderstand herstellen bzw. halten. Ich wusste, dass bei mir Zolgensma nicht in Frage kommt, aber ich erhoffte mir von Risdiplam eine kleine Verbesserung.

Obwohl mir die Idee kam, bei Zolgensma das Virus auszutauschen gegen ein Virus wogegen man auch im höheren Alter keine Antikörper gebildet hat. Man soll das Medikament natürlich bekommen bevor die Symptome aufgetreten sind oder die Krankheit noch nicht weit fortgeschritten ist. Aber bei mir zum Beispiel ist es noch nicht so vorangeschritten und ich könnte mir vorstellen, dass dies bei mehreren Patienten so ist. Vielleicht würde das Medikament dann auch bei uns Patienten über dem zweiten Lebensjahr eine Wirkung zeigen, aber wahrscheinlich ist es eine schlechte Idee. Am liebsten würde ich manchmal die Telefonnummer von einen Arzt/einer Ärztin haben, der/die sich mit meiner Erkrankung auskennt und dem/der ich alle Fragen oder meine Ideen stellen kann, ich bin mir sicher der/die Arzt/in wäre schon nach kurzer Zeit genervt, ich bin aber nun mal sehr interessiert dran. Aber zurück zu meinem Umdenken, wegen des MRT, jetzt wissen sie warum ich es jetzt doch tun wollte.

Aus diesem Grund rief ich bei einer Gemeinschaftspraxis an, dort wurden mir dann Fragen gestellt bis wohin die Wirbelsäule versteift wurde und aus welchem Material die Stangen sind. Ich sagte, das wüsste ich leider gar nicht. Sie entgegnete, ich müsse doch dafür einen Ausweis oder ähnliches besitzen. Ich verneinte, damals 2009 hätte ich so etwas nicht erhalten. Deswegen sagte ich der Dame, ich würde mich wieder melden, wenn ich diese Fragen beantworten kann. Ich schrieb meinem Neurologen und fragte ihn ob er meine Unterlagen von damals einsehen oder anfordern könnte, da mir damals keine Kopie des Arztbriefes zugeschickt wurde. Er schaute nach, konnte aber nur kurze Berichte finden, ohne genaue Angaben. Dann schlug er mir vor, die Ärztin, die damals die OP durchführen sollte, anzuschreiben und gab mir die E-Mail-Adresse. Ich fand das alles etwas umständlich, es ist schließlich in der selben Klinik durchgeführt worden, wo ich jetzt betreut werde. Deswegen hätte ich einen Verbesserungsvorschlag: alle ärztlichen Unterlagen/Berichte sollten digital eingescannt werden und jeder Patient sollte dann eine große Datei haben, wo sich alle Unterlagen drin befinden. Dann sollte jeder Arzt der einen behandelt, mit dem Einverständnis des Patienten, darauf Zugriff bekommen. Heute gibt es schließlich die Möglichkeit so etwas digital zu erstellen und alle behandelnden Ärzte untereinander zu vernetzen, dies würde ihre Arbeit erleichtern und ich würde schneller an Informationen gelangen. Naja da es noch nicht soweit ist, schrieb ich die Ärztin an und erklärte ihr, dass sie damals die OP durchführen sollte, dann aber vertreten wurde und ob ihr diese Informationen vorliege und sie mir diese zukommen lassen könnte. Einen Tag später schrieb mir die Ärztin zurück, sie sagte mein OP-Bericht sei noch nicht digitalisiert, deswegen werden die Unterlagen im Archiv sein, sie würde sie anfordern, dies könnte jetzt aber länger dauern wegen des Virus.

Wenn sie den Bericht erhält, fragte sie, ob es in Ordnung wäre, wenn sie ihn einscannt und dann per Mail zuschickt. Ich bedankte mich für die schnelle Reaktion auf die Mail und dass es perfekt wäre, wenn sie es einscannen würde und dann zuschicke. Etwa einer Woche später schickte sie mir den Bericht zu und ich konnte endlich einen Termin fürs MRT vereinbaren. Den Termin bekam ich zweieinhalb Monate später, am 17.08.20.

Am 27.05. bekam ich einen überraschenden Anruf von meiner Chefin. (Jetzt habe ich meine Chefin schon öfter erwähnt, Ihnen aber nicht gesagt, was sie für Charaktereigenschaften hat. Meine Chefin ist: nett, freundlich, hilfsbereit, kompetent, ehrlich, direkt, empathisch und streng in den richtigen Situationen. Ich würde Sie als moderne, selbstbewusste und emanzipierte Frau von heute beschreiben). Ich war total erstaunt bzw. verwundert, da ich in sechs Tagen wieder anfangen wollte zu arbeiten. Sie sagte: „Ich möchte Ihnen etwas den Tag versüßen und kann es nicht abwarten bis Sie wiederkommen“.

Ich hatte wirklich keine Idee, was es sein könnte. Sie sagte: “Sie bekommen einen neuen Vertrag und sogar einen unbefristeten“. Ich war sprachlos, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Mir kamen sofort die Tränen, ich bin froh, dass es niemand außer meiner Mama gesehen hatte, da sie beim Telefonat mithörte, aber ich glaube man konnte es an meiner Stimme erkennen. Ich war mir so sicher, dass ich keinen neuen Vertrag erhalte und habe mich schon ab August zu Hause gesehen. Nach kurzer Zeit konnte ich endlich was sagen, ich sagte: „Vielen vielen vielen Dank, damit habe ich nicht gerechnet. Ich weiß gar nicht richtig, was ich sagen soll, danke danke danke“. Meine Chefin sagte ich hätte mir das verdient und leiste gute Arbeit.

Danach legten wir auf, ich lachte und weinte und meine Mama freute sich riesig für mich. Ich sagte es sofort meinem Papa, meiner Schwester, Lisa und meinem Opa. Aber wem ich es am liebsten sofort gesagt hätte, war meine Oma. Sie wusste, wie wichtig mir das ist und was es mir bedeutet, sie hätte sich bestimmt sehr gefreut. In diesen Momenten fehlt sie mir wirklich sehr!

Dann rief ich sofort beim Integrationsamt an und sagte, dass ich im Februar schon einen Antrag gestellt habe und jetzt mit Sicherheit ein Folgevertrag erhalte. Der Herr von Integrationsamt gratulierte mir und versicherte, dass alles ohne Probleme funktionieren werde, ich müsste nur so bald ich den Vertrag erhalte, eine Kopie des Vertrages schicken. Die selbe Antwort bekam ich auch von der Agentur für Arbeit. Im Juni bekam ich dann die Genehmigung von der Agentur für Arbeit, die ein Jahr gültig war und von Integrationsamt die Genehmigung wurde sogar gleich für zwei Jahre genehmigt, ich konnte es gar nicht glauben, so ganz ohne Ärger! Damit war das geregelt, dann bekam ich aber das Gefühl, ich hätte es nicht verdient einen Folgevertrag zu bekommen und fühlte mich irgendwie schlecht, da ich elf Wochen nicht arbeiten war.
Ich sagte es auch erstmal meinen Kollegen nicht, weil ich dachte, dass es bestimmt auch Kollegen geben könnte, die es mir nicht gönnen und sagen, ich hätte es nicht verdient, weil ich so lange nicht da war. Dieses Denken bzw. Misstrauen ist bestimmt immer noch die Auswirkung von meiner Schulzeit. Ich wollte es ihnen erst mitteilen, wenn ich den Vertrag unterschrieben habe. Meine Eltern sagten das kann wohl jeder nachvollziehen, dass du nicht arbeiten gegangen bist und sie selbst jetzt auch noch nicht los gehen würden, da das Risiko immer noch hoch ist. Lisa schrieb mir: „Michelle! So etwas möchte ich wirklich nicht, dass du das denkst! Du bist wirklich jemand, der es wirklich am meisten verdient hat! Und falls es blöde Lästertanten gibt, darfst du dich nicht geschlagen geben, denn das ist es was sie wollen! Ich bin so so so froh, dass das geklappt hat!“

Lisas Nachricht baute mich auf und mein Minderwertigkeitsgefühl wurde weniger, ich bin ihr dafür so DANKBAR!
Sie hat recht, ich habe so dafür gekämpft, dass ich die Qualifikation machen konnte und dann habe ich mit den Behörden gekämpft, ich glaube niemand hat so für eine Stelle gekämpft, wie ich und meine Arbeit mache ich gut, das sagen mir meine Bewohner immer. Dann entschied ich mich einfach mal zu freuen und dass ich es mir verdient habe.

Die nächsten Tage machte ich weiter viel Sport, telefonierte mit Lisa und Opa, schrieb mit Freunden über WhatsApp und mein Papa besorgte mir FFP-2 Masken (die mich und andere schützen), damit ich mich bei der Busfahrt und an der Arbeit gut schützen kann. Als dann auch noch ausgerechnet drei Tage vor Arbeitsbeginn die Infektionszahlen erneut stark anstiegen, bekam ich Angst. Einen Tag vor Arbeitsbeginn war ich hin und hergerissen zwischen voller Vorfreude und Angst, meine Familie und mich zu infizieren. Deswegen sagte ich meinen Eltern, meiner Schwester und Lisa auch nochmal wie wichtig sie mir sind, ich weiß etwas übertrieben, aber es kann immer was passieren und ich will, dass sie es dann unbedingt wissen.

Am 02.06. ging es los, ich zog mich um, aß mein Vollkorntoast mit Almette und trank ein Glas Milch, wusch mich und schminkte mich, dann zog ich noch Jacke und Schuhe an. Danach befestigte mein Papa die Kopfstütze für die Busfahrt an meinem Rollstuhl, abschließend zog ich meine Maske auf und mir wurde klar, dass sich der Alltag geändert hat.

Kurze Zeit später fuhr mein Rollstuhltaxi vor und ich konnte es meinen Eltern, aber besonders meinem Vater ansehen, dass er mich am liebsten zu Hause gelassen hätte. Ich glaube egal wie alt wir sind, für unsere Eltern werden wir immer ihre kleinen Kinder sein, die sie beschützen wollen. Als mein Papa mich zum Bus schob, sah ich, dass der Fahrer nicht, wie versprochen, eine Maske trug.
Natürlich ist draußen das Risiko geringer sich zu infizieren, aber wenn der Fahrer meinen Rollstuhl für die Fahrt befestigt, dann ist der Mindestabstand überhaupt nicht gegeben. Aus diesem Grund würde ich es besser finden, wenn die Fahrer die Maske tragen, als sie sich dann nämlich ins Taxi setzten, zogen sie sich auch die Maske auf, da wäre der Mindestabstand gegeben und es war sogar noch eine Schutzscheibe dazwischengekommen. Deswegen konnte ich es nicht nachvollziehen, dass sie die Maske zum Befestigen des Rollstuhls abzogen. Gott sei Dank nahmen andere Fahrer das Risiko ernster und trugen die Maske die ganze Zeit. Im Taxi wurde ich nervös, meine Hände schwitzen, ich freute mich und hatte Angst. Deswegen entschied ich mich zu beten und meine Oma anzusprechen, eigentlich ist beten nicht meine Art aber in solchen Momenten, oder schlimmen Momenten, tue ich es. Ich bat um Schutz vor dem Virus, dass ich mich nicht infiziere und es besonders meine Eltern und meine Schwester nicht erwischt. An der Arbeit angekommen überwiegte die Freude, ich freute mich so sehr alle meine Kollegen aus der Betreuung, Pflege, Küche und die Therapeuten zu sehen und natürlich meine Bewohner, es war so schade, dass man sich nicht umarmen konnte.

Der Arbeitstag war schon anders, ich trug eine Maske, bekam schlechter Luft (besonders merke ich es beim Anreichen bzw. zum Essen animieren), desinfizierte mich viel öfter, trug bei Kontakt mit den Bewohnern Handschuhe, sonst versuchte ich auf den Mindestabstand zu achten, dies fiel mir sehr schwer, am liebsten hätte ich nach der langen Zeit alle Bewohner umarmt. Zusätzlich desinfizierte ich jeden Gegenstand den ich für die Beschäftigung benutzt habe. Damit ich dem Virus auf keinen Fall eine Chance biete sich weiter verbreiten zu können.

Es war wirklich schön wieder zurück zu sein, den Bewohnern habe ich die Freude über meine Rückkehr auch angesehen. Eine Bewohnerin sagte zu mir: „Jetzt geht wieder die Sonne auf, weil Sie da sind.“ Ich war davon wirklich sehr gerührt und ein Senior strahlte übers ganze Gesicht, als er mich wiedersah, so wurde ich in meinem ganzen Leben noch nicht angestrahlt. Ich fühlte mich auch wieder viel wohler durch die Arbeit, ich hatte wieder mehr Freude und fühlte mich wieder gebraucht und, das wichtigste für mich, ich tue was Nützliches. Natürlich war die Angst sich zu infizieren immer da, aber durch die Maßnahmen fühlte ich mich recht sicher und ich gewöhnte mich nach zwei Tagen auch schnell an sie. Aber eine Sache fehlte mir durch die Maske doch sehr und zwar das Lächeln meiner Kollegen und das Lächeln was ich den Bewohner schenke, deswegen hoffe ich sehr, dass es bald vorbei ist! Nur ein einziges Lächeln kann so viel bewirken und verdeutlicht einem noch mehr, ob das Gesagte auch tatsächlich so gemeint ist.

An eine Sache musste ich mich aber noch gewöhnen, wenn die Bewohner jetzt Besuch bekamen, musste ich die Bewohner bitten eine Maske aufzuziehen, dann begleitete ich die Bewohner runter in einen großen Raum in der Tagesbetreuung. In dem stand ein langer Tisch mit einer Trennwand, an der einen Seite nahm der Bewohner Platz und am anderen der Besuch bzw. die Angehörigen und Freunde. Den Besuch nahm ich an der Tür in Empfang und forderte sie dort auf, bitte die Hände zu desinfizieren und eine Maske aufzusetzen, falls sie die noch nicht auf hatten. Danach musste ich sie belehren, dies fand ich komisch, da der Besuch meistens viel älter war als ich. Ich sagte zu dem Besuch: “Ich muss Sie bitten, keine Hand zu geben und sich nicht zu umarmen, damit möchte ich Sie nicht ärgern, ich will nur Ihre Angehörigen schützen.“ Ich sagte das immer mit dem Spruch und einer freundlichen Stimme, weil ich finde, der Ton macht die Musik. Anschließend begleitete ich den Besuch in den Raum der Tagesbetreuung und bat sie gegenüber von den Bewohnern Platz zunehmen, dann gab ich ihnen ein Formular das sie ausfüllen müssen. In dem Formular standen Fragen, wie: hatten Sie in den letzten 24 Stunden Symptome oder hatten Sie Kontakt mit einem Corona-Infizierten? Wenn sie das Formular ausgefüllt hatten, hatten sie eine Stunde gemeinsam Zeit.
Ich nahm vor dem Raum Platz, damit ich, falls Fragen auftreten, zur Verfügung stehe und falls der Bewohner etwas benötigt oder sich nicht wohl fühlt, eingreifen kann aber auch um aufzupassen, dass der Mindestabstand eingehalten wird. Nach den Besuchen waren die Bewohner immer sehr glücklich und auch von dem Besuch bekam man viel Dankbarkeit entgegengebracht. Danach begleitet ich den Besuch nach draußen und den Bewohner zurück auf Station. Nachdem ging ich wieder in die Tagesbetreuung um alles was berührt wurde zu desinfizieren.
Nach der Arbeit zurück zuhause aß ich erstmal eine Kleinigkeit. Anschließend machte ich, wie jeden Tag Sport. Am Nachmittag des 31.05. erfuhr ich von einem geplanten Webinar zu Zolgensma:

Die Diagnosegruppe SMA innerhalb der DGM und die Initiative SMA veranstalten zu diesem Themenkomplex am 9. Juni um 17:30 Uhr ein Webinar mit Prof. Janbernd Kirschner, Direktor der Abteilung Neuropädiatrie der Uniklinik Bonn.

Diese neue Behandlungsmöglichkeit wirft viele Fragen auf. Glücklicherweise wurde man eingeladen Fragen zu stellen, also stellte ich auch drei:

  1. Wieso wird bei Typ1 nicht auf die SMN2-Kopienanzahl geachtet?
  2. Warum wurde eine Begrenzung bis zu drei SMN2-Kopien festgestellt?
  3. Bei Zolgensma wird ein Schnupfenvirus injiziert, es wird bis zum zweiten Lebensjahr verabreicht und bevor bzw. wenig Symptome aufgetreten sind. In den Nachrichten habe ich ein Kind gesehen das Zolgensma bekommen hat, wo das Krankheitsstadium schon weiter fortgeschritten war, als bei mir mit 23 Jahren. Daher kam mir die Frage, wenn man im Erwachsenenalter noch keinen starken Krankheitsverlauf hatte und das Virus gegen ein anderes Virus austauschen würde, wogegen man im Erwachsenenalter keine Antikörper hat, würde die Therapie einen Erfolg zeigen? Falls dies nicht funktioniert, gibt es in absehbarer Zeit eine Gentherapie für Erwachsene?

Danach war ich schon sehr gespannt auf den 09.06.20. um 17:30 Uhr. Zwei Tage später war mein erster Arbeitstag mit Kirke gekommen, ich freute mich riesig und war auch nervös, ob wir das alles gemeinsam hinbekommen. Es war schon komisch sich nach fünf Jahren wieder zu sehen, aber sobald wir uns sahen, war es für mich, als wäre nicht viel Zeit vergangen. Natürlich waren wir reifer, vernünftiger, strukturierter und ernster geworden, sonst waren wir noch die selben Menschen, wie vor fünf Jahren. Ich hätte sie sehr gerne umarmt, dies ging leider nicht wegen Corona.

Es war für mich seltsam Kirke zu sagen, was sie tun muss aber, wir waren ein super Team, sie ging sehr gut mit den Bewohnern um und ich konnte sehen, dass die Bewohner sie mögen. Es war schade, dass wir kaum Zeit hatten über Privates zu sprechen, ich dachte diese Möglichkeit würden wir sicher bald bekommen, falls wieder ein Besuchstermin ansteht und wir gemeinsam vor der Tür warten. Nach der Arbeit schrieb ich Kirke, dass ich mich sehr gefreut habe sie wiederzusehen und dass alles gut geklappt hat und wir deswegen ein gutes Team sind und dass ich sehe, dass die Bewohner sie schon mögen. Kirke schrieb mir das: „Ja, hat alles gut geklappt.
Mir hat es auch Spaß gemacht. Es ist super schön, wie du mit den Bewohnern umgehst, und wie positiv du offensichtlich auf sie wirkst.“
Das fand ich so süß von ihr und es bedeutete mir wirklich viel!

Danach kam mein Wochenenddienst, der stressig war. Ich war von der Betreuung die einzige die fürs Wochenende eingeteilt war, deswegen bin ich als erstes auf Station 1 gefahren, um meinen Kollegen aus der Pflege mitzuteilen, dass die eine Bewohnerin heute Besuch bekommt und sie diese bitte informieren, dass sie um halb zehn Besuch bekommt und ich sie um 09:15 Uhr abhole. Sofort danach bin ich runter auf Station zwei (Demenzstation), weil wenn niemand anderes aus der Betreuung da ist, die zwei immer Vorrang hat.

Dort half ich beim Essen anreichen, danach räumte ich die Tische ab und wischte noch. Danach ging ich schnell wieder auf Station 1 um die Bewohnerin abzuholen. Ich fragte sie noch, ob sie sich eine Jacke und eine Decke mitnehmen möchte, falls sie in der Tagesbetreuung friert, meine Assistentin Sabine half ihr für mich in die Jacke, anschließend bat ich die Bewohnerin die Maske aufzuziehen. Dann schob Sabine die Bewohnerin zum Fahrstuhl und ich rollte hinterher. Dann gingen wir gemeinsam in die Tagesbetreuung, ich teilte der Bewohnerin mit, dass ich jetzt ihren Besuch in Empfang nehme. Danach begann für mich schon die inzwischen eingespielte Routine, den Besuch nahm ich an der Tür im Empfang und forderte sie dort auf bitte die Hände zu desinfizieren und eine Maske aufzusetzen, falls sie diese noch nicht aufhatten. Danach musste ich sie belehren mit meinem gewohnten Spruch, ich muss sie bitten, sich keine Hand zu geben und sich nicht zu umarmen. Anschließend begleitete ich den Besuch in den Raum der Tagesbetreuung und bat sie gegenüber den Bewohnern Platz zunehmen.
Nach den Besuchen begleite ich den Besuch nach draußen und Sabine die Bewohner zurück auf Station. Ich begann in der Zeit schon alles was berührt wurde zu desinfizieren, danach lüftete ich nochmal kurz kräftig durch.

Sofort danach ging ich wieder auf Station zwei, wo ich zügig meine Eintragungen vornahm. Anschließend half ich beim Anreichen, dann räumte ich auf und wusch die Tische. Dann hatte ich Feierabend und war geschafft. Der Sonntag verlief genauso stressig, da ich wieder alleine war.

Am Montag und Dienstag hatte ich frei, den Rest der Woche Urlaub und anschließend mein freies Wochenende. Ich fand es etwas doof gleich nach einer Woche Urlaub zu haben, aber als ich den Urlaub geplant hatte, war noch nicht an Corona zu denken. Andererseits war es auch nicht schlecht, da ich kaputt war und mein Ohr nach den paar Tagen auch schon wieder angefangen hatte Sperenzien zu machen und mein Nacken war auch wieder verspannt, ich merkte, dass er weicher wurde und leicht nach rechts hing. Als ich das Beschäftigungsverbot hatte ging es meinem Ohr besser, es machte sich zwar manchmal bemerkbar aber sonst nichts. Jetzt ging es schon wieder für ein paar Stunden zu.
Den Dienstag nutze ich um mir das Webinar zu Zolgensma anzusehen, ich fand es wirklich sehr informativ. Als es zu Ende war, habe ich für mich ein paar neue Informationen erlangt und zwar, dass Nusinersen und Risdiplam den Gendefekt nur von 10 – 20 Prozent ausgleicht. Da bei diesen Medikamenten mit den SMN2-Genen gearbeitet wird und das ist sozusagen nur eine schlechte Kopie des beschädigten SMN1 Gens. Daher können sie den Defekt nicht komplett aufheben.

Das teuerste Medikament der Welt, Zolgensma, würde für mich doch infrage kommen, da es hier in Europa andere Zulassungkriterien gibt, als in der USA.

Hier ist es nicht abhängig von Alter und Gewicht, also könnte ich es bekommen aber weil ich viel mehr wiege als die Kinder, müsste ich eine VIEL höhere Dosis des Virus bekommen und das wurde noch nicht getestet. Deshalb weiß niemand, welche gesundheitlichen Konsequenzen es haben könnte, ich hatte kurz darüber nachgedacht es auszuprobieren, aber ich kann nicht nur an mich denken und an meinen größten Wunsch. Wenn mir dadurch nämlich was passiert, dann würde ich damit meinen Lieben großen Schmerz zufügen und das möchte ich nicht. Ich fand die neuen Informationen sehr wichtig und beschloss nach dem MRT-Termin meinem Neurologen auf die für mich neu erworbenen Informationen anzusprechen bzw. eine E-Mail zu verfassen und ihm diese zukommen zu lassen. Ich beschloss, in der E-Mail auch nach Reldesemtiv zu fragen, von dem ich gelesen hatte. Reldesemtiv ist eine Untersuchungstherapie, die die Muskelfunktion und die körperliche Leistungsfähigkeit bei Menschen mit SMA und ALS (Amyotropher Lateralsklerose) verbessern kann. Dieses Medikament verlangsamt die Geschwindigkeit der Calciumfreisetzung aus einer Gruppe von Proteinen, die als regulatorischer Troponin-Komplex bezeichnet wird.
Man geht davon aus, dass Reldesemtiv durch die Einwirkung auf den Troponin-Komplex zu einer Erhöhung der Kontraktionsfähigkeit der Skelettmuskulatur führt, obwohl die Nervensignale reduziert sind. Das Medikament Reldesemtiv wird von Cytokinetics in Zusammenarbeit mit Astellas entwickelt und befindet sich momentan noch in Studien.

Den Rest meines Urlaubs nutzte ich für Sport um fit zu bleiben, sonst schrieb und telefonierte ich mit meinen Freunden und mit meinem Opa. Ich wünschte mir sehr, dass bald ein Impfstoff gegen das Corona-Virus gefunden wird, damit ich mich endlich wieder mit Freunden treffen kann, bis dahin hoffe ich, dass meine Freunde weiterhin Verständnis haben, dass es momentan für mich zu gefährlich ist. In der Zwischenzeit hatte ich mich jetzt zwei Mal mit meinem Opa, meiner Tante und ihren drei Kindern getroffen. Erst war es etwas komisch mit dem Abstand und bei meinen kleinen Cousinen war es auch nicht möglich, da sie mich natürlich umarmen wollten und wie kann ich zu so kleinen Süßen schon nein sagen? Ich genoss die Zeit sehr, mit kleinen Kindern kann ich gut umgehen und der Rollstuhl ist für sie immer das Highlight.
Sonst erstellte ich für meine Eltern und mich sogenannte Notfallkarten (meine Schwester wollte keine). So habe ich die Karte getauft, ich habe sie in dem Standardformat einer Bankkarte erstellt, diese Notfallkarte soll den Sanitäter/innen oder Ärzte/innen in Notfall helfen, schneller an Informationen zu gelangen.

Ich habe auf diese Karte geschrieben, wen sie im Notfall benachrichtigen sollen, welche Allergien ich habe, also in meinem Fall Penicillin, welche Erkrankungen ich habe und welche Medikamente ich einnehme. Bis jetzt steht bei Medikamenten nur die Antibabypille, aber ich hoffe das ändert sich nach dem Härtefallantrag und ich kann Risdiplam ergänzen. Durch meine Arbeit im GDA, wenn dort Notfälle aufgetreten waren oder bei meinen Ärzteserien, die ich schaue, habe ich gelernt, dass jede Information hilfreich sein kann. Aus diesem Grund erstellte ich diese Notfallkarte und sagte, dass meinen Eltern sie immer bei sich tragen sollen, ich selbst habe sie in meiner Handytasche und da man heutzutage sein Handy immer dabei hat, habe ich auch meine Karte immer dabei. So sieht meine Notfallkarte aus, meine ist etwas länger als die meiner Eltern (die haben die Standardkartenform), da bei mir mehr draufsteht:

Notfallkarte

Dann ging die Arbeit wieder los, ich war sehr froh wieder dort zu sein. Ich führte tolle Gespräche mit den Bewohnern, spielte Spiele, machte Gedächtnistraining und Sport. Manchmal machte ich kleine Gruppen, aber nie mit mehr als vier Personen, damit der Mindestabstand eingehalten werden konnte. Ein paar Tage später änderten sich die Besucherregelungen, die Besucher bzw. die Angehörigen und Freude mussten vorher keinen Termin mehr vereinbaren. Sie durften zwar nur einzeln kommen, aber sie mussten sich jetzt nicht mehr in den Raum der Tagesbetreuung treffen, wenn der Bewohner ein Einzelzimmer hat, konnten sie sich in dem Zimmer treffen oder sich sonst in unserem Außenbereich aufhalten, dies war ein kleiner Schritt zur Normalität. Für mich und meine Kolleginnen hieß das, dass einer von uns unten vor dem Eingang sitzen musste, wenn Besuch kommt, ihnen die Tür öffnen, sie anschließend bitten die Hände zu desinfizieren. Danach mussten sie wieder das Formular ausfüllen und dann wurde noch die Temperatur gemessen, zum Schluss klärte ich sie noch über die Hygieneregeln auf, also keinen Körperkontakt und den Mindestabstand einzuhalten und natürlich wo sie sich jetzt aufhalten durften, also bei Einzelzimmern auf dem Zimmer oder in unserem Außenbereich. Die Besucherzeit in der Frühschicht war immer von 09:30 Uhr bis 11:00 Uhr. Wenn man selbst die Besuchererfassung durchführt, sprich die eineinhalb Stunden dort sitzt und nicht viel Besuch kommt, kann die Zeit einem schon recht lange vorkommen. Ich war sehr froh, dass ich Sabine und Kirke an meiner Seite hatte, so konnte man wenigstens ein Gespräch führen. Wenn ich dann an meine Kolleginnen denke die alleine dort sitzen, stelle ich mir das wirklich nicht angenehm vor. Kirke und ich nutzten die Zeit, um uns alles zu erzählen, was in den letzten Jahren passiert ist und wie wir uns unsere Zukunft vorstellen. Ich fand es trotzdem sehr schade die Zeit nicht gemeinsam mit den Bewohnern zu verbringen, da sie dann oft sagten, dass wenn wir wenig besetzt waren, sie viel Langeweile hatten. Durch die Äußerungen der Bewohner bekam ich immer ein schlechtes Gewissen, da wir (die Betreuungskräfte) ihnen in Corona-Zeiten nicht immer gerecht werden konnten.

Heute war mal wieder so ein Tag, an dem ich mit Vorurteilen konfrontiert wurde, ein junger Mann sagte zu mir: „Ich finde es schön, dass du dich trotzdem modisch und hübsch kleidest und dass du trotzdem arbeiten gehst und dumm bist du ja auch nicht, im Gegenteil.“ Ich kenne ihn schon ein bisschen und er meinte das auch nicht böse, er ist eigentlich sehr nett, er hat einfach nicht darüber nachgedacht, was er da eigentlich sagt. Ich meine, wenn man mir Komplimente machen will, dann bitte nicht so und schon gar nicht bezogen auf meine Erkrankung. Mir war relativ schnell klar, worauf sich das “trotzdem“ bezog, nämlich auf meinen Rollstuhl bzw. meine Erkrankung.

Ich weiß nicht warum ich oft auf meinen Rollstuhl reduziert werde, ich würde mir wünschen man sieht mich als Person und nicht anders! Ich meine sollte ich etwa als Rollstuhlfahrerin den ganzen Tag in Schlafanzug bleiben und nicht arbeiten gehen und zu Hause bleiben?! Nein! Ich finde ich brauche dafür, dass ich arbeiten gehe und mich modisch kleide keine Anerkennung, ich lebe mein Leben, wie jeder andere auch.
Wenn ich in Arztpraxen gehe, wo ich vorher noch nicht war und zu dem Termin begleitet werde, zum Beispiel von meinem Papa, fragen Sie ihn, wie lange meine gesundheitlichen Probleme vorliegen und geben ihm das Formular zum Ausfüllen. Da könnte ich wirklich verrückt werden, da rutscht mir dann manchmal meine Wut raus und ich sage dann: „Ich kann selbst für mich sprechen und ich habe nichts mit dem Kopf, sondern mit den Muskeln.“ Das ist vielleicht nicht die netteste Art, aber sie behandeln mich auch als wäre ich geistig nicht auf der Höhe oder gar unsichtbar. Wenn ich nichts sage, dann entgegnete mein Papa: „Fragen sie meine Tochter selbst, sie hat einen Mund mit dem sie antworten kann.“

Als ich bei einer Brandschutzmaßnahme bei mir an der Arbeit war, wollte mich der Kursleiter immer wieder wegschicken, da er mich für einen Bewohner des GDAs hielt, ich habe es ihm versucht zu erklären, aber er hat mir nicht zu gehört, er wollte, dass ich den Raum verlasse. Dann sagte die Assistentin meiner Chefin ihm, dass ich hier wirklich arbeite und selbstverständlich an dem Kurs teilnehme. Das war mir wirklich unangenehm vor meinen Kollegen, als er dann mit seinem Vortag begann und erzählte, wie man Rollstuhlfahrer im Brandfall aus dem Gebäude bekommt, wies ich ihn auf seine Fehler hin.

Dies war so ein bisschen meine “kleine Rache“. Später war der Kursleiter freundlicher zu mir und bedankte sich sogar für meine Hinweise. Ich denke dadurch habe ich wenigstens seine Einstellung verändert.

Ich möchte Ihnen damit nur sagen, dass jede/r Rollstuhlfahrer/in genauso attraktiv/unattraktiv, freundlich/gemein und klug/dumm sein kann, wie jeder andere auch und wir brauchen keine Anerkennung für vollkommen normale Sachen. Ach und bitte schließen Sie nicht wegen des Rollstuhls gleich auf eine geistige Beeinträchtigung.

Am 24.06.2020 checkte ich wie jeden Nachmittag meine Mails, ich hatte nun, bezüglich meiner Biografie, Sie erinnern sich, doch noch eine Rückantwort von der Initiative SMA. Die Gründer schrieben mir, dass sie die Website in andere Hände geben werden und sie mich deswegen bei der Veröffentlichung nicht unterstützen können. Sie hätten aber mit einem Herrn von der Patientenstimme SMA gesprochen, der evtl. Interesse an meiner Biografie habe. Ich sollte mich mal bei ihm melden. Dies tat ich dann am selben Tag, kurze Zeit später bekam ich eine positive Antwort und die Zusage, meine Biografie auf der Seite der Patientenstimme SMA zu veröffentlichen. Meine Idee evtl. auch ein Buch zu veröffentlichen, konnte man mir zwar nicht versprechen, aber die Möglichkeit, dass durch die Veröffentlichung vielleicht Interesse von anderen, für ein Buch oder einer Broschüre kommt, sei gegeben. Als ich das las war meine erste Reaktion: Verblüffung, Sprachlosigkeit, Überforderung und Angst. Dann las ich es noch ein zweites Mal und zeigte es meinen Eltern, Lisa und Sarah. Sarah gratulierte mir sofort und Lisa freute sich und sagte ich werde was verändern, meine Eltern waren noch etwas zurückhaltend, freuten sich aber für mich. Ein paar kleine Überarbeitung bezüglichen der medizinischen Aussagen standen noch an, sonst blieb alles so, wie es war. Darüber freute ich mich sehr. Dann kam mir noch der Datenschutz in den Sinn, da ich die Namen von meinen Freunden, Ärzten, Arbeitgeber usw. verwendet habe. Der Herr der Patientenstimme SMA meinte es wäre vielleicht besser vorher nachzufragen. Deswegen erstellte ich bei WhatsApp eine Gruppe, damit ich nicht jeden einzeln anschreiben musste. Als ich die Gruppe erstellte bekam ich Angst, da es jetzt so real wird und irgendwie hatte ich auch ein bisschen Schamgefühl mich vor ihnen so zu offenbaren, da ich zu einigen von ihnen leider schon seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Außerdem würden dadurch alle erfahren, wie ich über sie denke und wie ich sie einschätze. Nur leider weiß ich nicht, wie sie über mich denken bzw. mich einschätzen und ob ich ihnen so wichtig bin, wie sie es für mich sind. Sonst hoffte ich nur, dass mich keiner für einen Wichtigtuer halten würde.

Das schrieb ich in die Gruppe:

Hallo meine Lieben,

ihr werdet euch jetzt bestimmt wundern, warum ich die Gruppe erstellt habe und warum ich mich jetzt melde. Ich habe über mein Leben mit meiner Erkrankung geschrieben, jetzt hat jemand Interesse daran es online oder als Buch zu veröffentlichen. Ihr fragt euch jetzt bestimmt, was habe ich damit zu tun? Ihr kommt alle darin vor (siehe Datei)
Wenn es für euch in Ordnung ist, was ich über euch geschrieben habe, brauche ich eure Zustimmung (würde mich SEHR freuen, wenn ihr zustimmt), wenn ihr es nicht möchtet, dann entferne ich es sofort!
Ich möchte durch die Veröffentlichung wichtige Aufklärungsarbeit leisten und meine Erkrankung bekannter machen.

Ich bekam tatsächlich von allen ihr Einverständnis, dass ich sie erwähnen durfte, jeder fand es toll was ich geschaffen habe und alle hatten großen Respekt davor. Ich bekam von allen so nette Feedbacks, das bedeutete mir unheimlich viel! Sogar von meinen Freunden, mit denen ich schon länger keinen Kontakt hatte. Ich erfuhr von ihnen, wie es ihnen in den letzten Jahren ergangen ist und was sie für einen beruflichen Weg eingeschlagen haben. Ich finde jeder hat das Passende für sich gewählt und das freut mich unglaublich für sie. Vielleicht entwickelt sich dadurch sogar wieder ein engerer Kontakt, darüber würde ich mich freuen! Dann fragte ich noch meinen Neurologen, ob es für in Ordnung wäre. Sie stimmten auch zu, jetzt fehlte nur noch mein Arbeitgeber, ihn zu fragen, machte die Angelegenheit erst richtig real, ich bekam ein mulmiges Bauchgefühl und schob es mindestens zwei Tage vor mir her, bis ich den Mut dazu hatte, es persönlich bei meiner Chefin anzusprechen. Ich erzählte meiner Chefin, wie es dazu gekommen ist und ich ihr Einverständnis bräuchte, da ich das GDA erwähnt habe. Sie fand es gut, dass ich zu einer Veränderung beitragen möchte.

Einen Tag später kam meine Chefin zu mir und sagte, dass sie meine ganze Biografie gelesen hatte, sie sagte sie konnte nicht aufhören zu lesen und dass ich es klasse geschrieben hätte. Ihr Feedback bedeutet mir sehr viel! Sie sagte ihr Einverständnis hätte ich, wir brauchen aber das Einverständnis der Hauptzentrale in Hannover.

Es würde nun also noch ein paar Tage dauern bis es veröffentlicht werden konnte. Thomas, der Kontakt der Patientenstimme SMA, schlug vor, dass wir vor jedes Kapitel noch ein passendes Deckblatt anfertigen könnten und ob ich Ideen dazu hätte? Mir kamen natürlich sofort Einfälle und seine Idee mit den Deckblättern fand ich sehr gut. Für meine Geburt und Kindergartenzeit nahm ich ein Bild aus meiner Kindheit, wo ich noch nicht so sehr auf den Rollstuhl angewiesen war, zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch laufen. Für die Grundschulzeit nahm ich ein Bild von meiner Einschulung, über meiner Schwester ist das lila Herz, da sie nicht gezeigt werden möchte. Bei der weiterführenden Schule nahm ich die Röntgenaufnahme meiner Wirbelsäule, da es ein wichtiger Wendepunkt in meinem Leben war und ein Bestandteil des Kapitels ist. Bei der Höheren Handelsschule nahm ich ein Bild von einer Berechnung, die wir dort immer durchgeführt haben. Bei der Fachoberschule habe ich auch ein Bild von einer Berechnung genommen, die wir immer durchgeführt haben, Sie können sehen es ist komplizierter, als in der Höheren Handelsschule. Die beiden Bilder habe ich von Johanna bekommen, da ich selbst keine Berechnung mehr hatte.

Ich selbst hatte alles nach der FOS in die Papiertonne gebracht, da ich wusste, dass es mein Wunsch ist, sie in der Zukunft nie wieder durchzuführen. An dieser Stelle nochmal DANKE an Johanna für die Fotos!

Beim Bundesfreiwilligendienst und Arbeitsleben wollte ich gerne ein Bild von einer Gruppe Senioren nehmen, aber da ich selbstverständlich kein Bild von meinen Senioren nehmen konnte und wir aus dem Internet auch keins verwenden können, ohne dass dabei rechtliche Konsequenzen entstehen können, haben diese Kapitel kein Deckblatt. Bei der Qualifikation zur Betreuungskraft gemäß § 43b, machte ich ein Bild von meinem Arbeitsplatz (bei mir zu Hause) an dem ich täglich dem Onlineunterricht nachging. Bei den dankenden Worten, nahm ich ein Bild von meinen Eltern, von Lisa und mir und das rote Herz in der Mitte soll meine Schwester darstellen. Zu dieser Zeit hatte ich bereits begonnen dieses Kapitel zu schreiben, mit dem Namen „Das Arbeitsleben und Privatleben in Zeiten von Corona“, hierfür stellte ich mir eine Maske als Deckblatt vor. Ich fand es zu dieser momentanen Lage sehr passend.

Kurze Zeit später bekam ich das Einverständnis von GDA, dass ich alles, was ich über meine Arbeit geschrieben habe, so veröffentlichten darf. Ich bekam auch das Einverständnis von meinem Neurologen, den ich erwähnt hatte. Alles war also geklärt. Thomas schlug vor, in der Zeit noch ein kleinen Video, zur Vorstellung für die Biografie zu machen.

Nun sollte es nur noch ein paar Tage dauert, bis die Biografie online gehen kann. Ich bekam Zweifel oder genauer gesagt Angst, ich konnte nicht mehr richtig schlafen, mir war mulmig und irgendwie schlecht. Ich überlegte mir, ob ich tatsächlich meinen ganzen Namen bei der Veröffentlichung erwähnen möchte oder ob ich zu viel Persönliches geschrieben habe, also zu viel Preis gebe. Dann dachte ich wieder gerade das Persönliche machte meine Biografie aus und ich möchte etwas bewirken und mir später nicht sagen „Ach hätte ich es nur getan.“ Ich überlegte sogar einmal alles abzusagen. Ich schrieb mit Sarah und Lisa darüber und mit Kirke und Steffi sprach ich an der Arbeit persönlich. Sie waren so verständnisvoll, sie sagten es ist ganz normal, dass ich Zweifel habe, aber ich habe so was Tolles erschaffen bzw. geschrieben und dass ich mich für nichts zu schämen brauch, sie sagten oder schrieben, jeder sollte wissen wer ich bin.
Ich war ihnen so dankbar, deswegen jetzt und hier nochmal vielen DANK Sarah, Kirke, Steffi und Lisa, danke, dass ihr da wart und mich ermutigt habt!

Dann tatsächlich ein paar Tage später war es soweit und die Biografie ging online.

An dieser Stelle möchte ich mich nochmal ganz herzlich für die viele Arbeit und die tolle Gestaltung der Biografie bei Thomas von der Patientenstimme SMA bedanken! An dem Tag der Veröffentlichung war ich sogar relativ gelassen. Nur einen Tag später bekam ich wieder etwas Angst vor den Reaktionen auf meine Biografie, ich sagte mir aber irgendwie immer „so viele werden es schon nicht lesen“, dies beruhigte mich.

Am ersten Tag besuchten 214 Personen meine Seite, Thomas sagte, es wären nicht viele aber ich fand es für mich persönlich viel, da ich ja auch keine bekannte Persönlichkeit bin. Ich habe 214 Personen erreicht, für mich unglaublich! Die darauffolgenden Tage war ich gelassener, ich setzte sogar einige Status bei WhatsApp rein. Dies ist einer davon:

Ich habe über mein Leben mit meiner Erkrankung geschrieben

https://michelle-huebner.patientenstimme-sma.de/

Ich würde mich freuen, wenn Ihr es lesen würdet und anschließend teilt, weiterleitet, in Euren Status setzt usw.

Da man nur ZUSAMMEN etwas erreichen kann!

So machen Wir die Erkrankung bekannter und wecken vielleicht das Interesse an der Entwicklung einer Therapie.

PS: unter Menü könnt Ihr mir sogar Kommentare schreiben

DANKE für Eure HILFE

Ich schrieb danach endlich wieder beruhigt an diesem Kapitel weiter.

An meinen freien Wochenenden schaute ich einen Film, der heißt „Song für Mia“, ich finde ihn sehr gut, vielleicht bin ich auch ein bisschen voreingenommen, da ich ein Fan von Tim Oliver Schultz bin, dem Hauptdarsteller. Für die unter Ihnen, die den Film nicht gesehen haben, fasse ich kurz zusammen, worum es sich in dem Film handelt: Es geht um Sebastian, genannt Sebbe, für ihn gilt das Motto immer größer, immer besser, immer mehr. Sonst arbeitet er tagsüber in einer angesehenen Modeboutique und abends feiert er immer in Clubs, flirtet mit Frauen und schläft mit ihnen.

Am Waschbecken, in einem Club hört ihn ein Musikproduzent singen und bietet ihm einen Vertrag an. Auf dem Nachhauseweg, läuft Sebbe vor eine Metallstange und sieht anschließend nichts mehr. Im Krankenhaus kommt heraus, dass er ein Aneurysma hatte, durch den Zusammenstoß mit der Stange ist es geplatzt und es kam zu einer Hirnblutung, die das Sehzentrum beschädigt hat. Mit der Situation ist Sebbe überfordert, reagiert gereizt, depressiv und denkt, dass er nichts mehr erreichen kann. Seine Eltern organisieren für ihn eine Assistentin, ihr Name ist Mia, sie verstehen sich auf Anhieb und mit ihrer Art lernt er, worauf es wirklich im Leben ankommt. Sie kommen sich näher und zum ersten Mal seit dem Tod seines Bruders lässt er Gefühle zu (es geht tiefer, wird intensiver, es bekommt alles einen Sinn). Sebbe schreibt einen Song, der nicht oberflächlich ist, sondern einen, der richtige Gefühle zeigt. Mia filmt ihn, als er den Song singt und stellt das Video ins Netz, dadurch wird er bekannt. Die Klinik meldet sich wieder und sie operieren ihn, wodurch er sein Augenlicht zurückerlangt. Jetzt möchte er nur zurück in sein altes Leben also Partys, Frauen, ein Star werden, er beginnt sogar wieder damit oberflächliche Lieder zu singen. Bei Mia meldet er sich kaum, als sie sich dann doch mal wieder treffen, stößt er ihr heftig vor den Kopf. Als er dann einen Auftritt hat, bekommt Sebbe plötzlich wieder Aussetzer beim Sehen, seine Ärztin stellt fest, dass er höchst wahrscheinlich wieder erblinden wird. Da merkte Sebbe, was wirklich wichtig ist im Leben, er entschuldigt sich bei Mia und singt einen Song für sie. Sie werden ein Paar und gehen gemeinsam auf Reise.

Ich denke der Film gefällt mir so gut, da ich mich in beide Darsteller sehr gut reinversetzen kann. Meine Arbeit, hat etwas mit der von Mia gemeinsam. Ich finde sogar, dass sich ihre Stimmung mit meiner auf der Arbeit sehr ähnelt. Mit Sebbe kann ich mich gut infizieren, da mir seine Gefühlslage bekannt vorkommt und ich finde durch eine Einschränkung merkt man wirklich, was wichtig ist im Leben und dadurch merkt man auch welche Personen wirklich hinter einem stehen und welche Personen gehen, wenn mal nicht alles gut lauft. Nur in einer Sache unterscheiden wir uns, er kommt zum Schluss mit Mia zusammen und er lässt sich gerne von ihr helfen. Ich finde das schlimm, wenn sich mein Freund verpflichtet fühlen würde mir zu helfen und meinetwegen vielleicht auf etwas verzichten müsste. Außerdem dachte ich früher immer was meine zukünftige Schwiegermutter sagen könnte zum Beispiel: „Das habe ich mir für mein Sohn nicht gewünscht“, oder: „Sie ruinieren das Leben meines Sohnes“. Deswegen bin ich früher auf Abstand gegangen, wenn ich gemerkt habe, dass ich jemanden mag und er mich vielleicht auch. Ich habe sogar öfter gedacht, dass es besser wäre, wenn mein Freund auch an SMA erkrankt wäre, da er mich dann viel besser verstehen könnte und er dann die selbe Hilfe benötigt, wie ich. Dann habe ich aber an der Arbeit einen Senior kennen gelernt, er war mir von Anfang an sehr zugewandt.

Er kam oft zu mir, nahm meine Hand und wollte mit mir so über den Flur laufen. Wenn er sich dann setzte, sage er: “Setz dich zu mir“, oder: „Du bist einfach immer für mich da.“ Oder beim Mittagessen hat er eine Aufsteh-Weglauf Tendenz aber wenn ich mich zu ihm setze, bleibt er sitzen und isst mit Genuss. Ich fragte mich oft warum. Ihn konnte ich nicht fragen, da er an Demenz erkrankt ist. Dann fragte ich seine Physiotherapeutin, die kennt ihn schon sehr lange, ob sie eine Idee hat, warum er mir so zugewandt ist. Ich erfuhr, dass seine Frau an MS erkrankt war und er immer für sie da war, bis sie verstorben ist. Sie sollen ein Traumpaar gewesen sein. Kurz nach dem Tod seiner Frau erkrankte er an Demenz, da frage ich mich wirklich wo die Gerechtigkeit ist. Ich vermute, dass er mich jetzt mit seiner Frau in Verbindung bringt.

Durch ihn weiß ich jetzt: egal, ob ich in Rollstuhl sitze oder nicht, ich muss darauf bei der Partnersuche keine Rücksicht nehmen, es muss einfach nur der Richtige sein.

An der Arbeit hatte sich inzwischen ein bisschen was geändert, der Besucherdienst, oder wie ich ihn nenne Türdienst, ist für uns Betreuungskräfte entfallen. Die Besucherzeiten sind noch von 09:30 bis 11:00 Uhr, die Besucher klingeln an der Tür, die Pflege öffnet die Tür, geht kurz nach unten lässt sie das Formular ausfüllen oder der Besuch kommt auf Station und füllt dort das Formular aus. Dann können sie draußen spazieren gehen, oder wenn sie ein Einzelzimmer haben, können sie sich dort zurückziehen und wenn der Bewohner ein Doppelzimmer hat, wurde für den Fall ein Besucherraum auf Station geschaffen. Außerdem dürfen jetzt zwei Besucher bzw. Angehörige kommen. Einerseits freute ich mich, dass der Türdienst abgeschafft wurde, da ich so meiner eigentlichen Arbeit nachgehen kann, andererseits hatte ich durch diesen Dienst die Angehörigen besser kennen gelernt und so einiges Neues über die Bewohner erfahren habe, durch die Erzählungen der Angehörigen. Außerdem war es schön zu sehen, wie sich ihre Stimmung durch den Besuch veränderte oder wie sie sich bei der Familie verhielten.

Aus diesem Grund ging ich nicht vor die Tür, sondern ging auf Station zwei (Demenzstation), dort ging ich wie immer als erstes in die Küche und sagte guten Morgen. Sofort wurde ich von drei männlichen Senioren angestrahlt, ich ging dann zu ihnen, sie strahlten übers ganze Gesicht. An diesem Lächeln konnte man Zufriedenheit, Freude, Zuneigung und Empathie sehen. So wird man eigentlich nie, höchstens ein paar Mal im Leben angestrahlt, ich bekomme das von den dreien jedes Mal geschenkt. Als ich zu dem einen Bewohner ging, sagte ich: „Guten Morgen, wie geht es Ihnen?“, dann wartete ich auf die Antwort und danach fragte ich, ob er gut geschlafen habe. Alle Antworten fielen positiv aus. Dann sagte ich: “Ich habe eine Überraschung für Sie.“ Er sagte: “Nicht „Sie“, sondern Du!“ Ich sieze ihn immer, weil er Demenz hat und er vielleicht nach kurzer Zeit das angebotene Du vergessen könnte. Ich antwortete: „Oh entschuldige, habe ich vergessen. Ich habe eine Überraschung für Dich, rate mal was es ist?“ Er sagte: „Sie verbringen heute den ganzen Tag nur mit mir.“ Ich antworte: „Leider nicht.“ Er sagte: „Dann werden wir heute mein Lieblingsspiel spielen.” Ich darauf: „Das meinte ich eigentlich auch nicht, aber wenn noch Zeit ist, können wir gerne Karten spielen. Ihr Sohn kommt heute zu Besuch.“ Er antwortete: „Das ist doch auch gut, aber versprechen Sie mir mit mir Karten zu spielen.“ Ich sagte: „Natürlich!“

Ein paar Tage später hatte ich mit Kirke zusammen Dienst, da Sabine ein paar Tage Urlaub hatte. Ich animierte die Bewohner erst zum Essen, dann räumten Kirke und ich die Tische ab und anschließend wischten wir diese. Danach führten wir ein paar schöne Gespräche mit den Bewohnern, anschließend machten wir Gedächtnistraining mit Sprichwörtern, das war wirklich schön und es verlief sogar sehr gut. Ich sah die eine Bewohnerin, über die ich in meiner Qualifikation die Biografie geschrieben hatte. Wir plauderten kurz, dann fragte ich sie, ob wir das Spiel, das ich mir ausgedacht habe (mit den sechs Feldern) alle gemeinsam spielen möchten? Von ihr kam gleich Zustimmung. Kirke und ich gingen nach hinten in den Anbau, wo unser riesiger Schrank mit verschiedenen Spielen steht. Ich brauchte nämlich noch einen Würfel und einen Spielstein. Dann sahen Kirke und ich, dass der eine Senior, der mich immer anstrahlt, ganz weit zur Seite hing. Ich ging zu ihm und sagte: „Wollen wir uns wieder aufrecht setzen, sonst bekommen Sie später Schmerzen an der Seite, da der Rollstuhl so stark an die Seite drückt.“ Er nickte und, versuchte sich aufzurichten. Er bekam es selbst aber nicht hin, Kirke half ihm. Anschließend schaute der Bewohner ganz traurig, ich wusste sofort warum. Er war traurig, weil er es nicht mehr selbst schaffte. Ich sagte zu ihm: „Sie können das bald wieder selbst, wenn Ihr netter Physiotherapeut kommt und Sie wieder trainieren.“ Er sagte: „Ich will es hoffen.“ Ich antworte: „Ich kenne Sie, Sie schaffen es.“ Dann wollte ich eigentlich zu der anderen Bewohnerin gehen, um das Spiel zu spielen. Da fing er plötzlich an zu weinen und nahm meine Hand. Ich wollte ihn so gerne in den Arm nehmen, aber wegen Corona ging es nicht. Eigentlich war es mit dem Kontakt von den Händen schon schwierig, Gott sei Dank trug ich noch Handschuhe, da ich kurz zuvor die Tische gesäubert habe. Ich hätte es unmenschlich gefunden, ihm meine Hand zu entziehen. Ich finde es ist meine Aufgabe, ihm in dieser Zeit beizustehen.

Ich bot an: “Wenn Sie möchten können wir darüber sprechen oder ich bleibe einfach noch ein bisschen bei Ihnen sitzen.“ Der Bewohner entgegnete: „Darüber sprechen ist schwierig.“ Ich sagte: „Ich kann es sehr gut nachvollziehen, wie es ist, wenn der Körper nicht das macht, was man von ihm verlangt.“ Er sah mich groß an und streichelte mir über meine Maske das Gesicht. In der Zwischenzeit bat ich Kirke der anderen Bewohnerin zu sagen, dass wir das Spiel leider verschieben müssen. Kirke sagte mir später, dass die Bewohnerin sehr verständnisvoll reagierte. Ich spendete dem Bewohner weiter Trost und streichelte ihm über den Arm, nach zwanzig Minuten ging es ihm besser. Auf seinem Tisch sah ich ein Buch mit Hunden und da ich wusste, dass er selbst früher einen Hund hatte und Hunde mag, machte ich ihn darauf aufmerksam. Wir schauten es uns dann gemeinsam an und es ging ihm danach besser. Danach machte ich meine Eintragungen und Kirke meinte zu mir sowas lässt einen wirklich nicht kalt, ich erwiderte: „Das stimmt, es nimmt einen wirklich mit.“

Den Tag darauf war ich auf Station 3, ich ging zu einer Bewohnerin aufs Zimmer und sie erzählte mir einiges über ihr Leben, ihre Schicksalsschläge, wie sie ihren Mann kennengelernt hat und noch vieles mehr. Später zeigte sie mir auch noch Fotos, nach unserem Gespräch sagte ich ihr, dass es mir sehr viel bedeutet, dass sie mir so viel anvertraut. Die Bewohnerin meinte darauf, dass macht sie nicht bei vielen aber ich bin ihr so ans Herz gewachsen. Ich freute mich sehr darüber, ich sagte ich suche am Wochenende auch mal ein paar Fotos von mir von Früher raus und wir schauen sie uns gemeinsam an.

Am Wochenende durchsuchte ich meine Fotos, es war schön mich mal wieder ohne Rollstuhl zu sehen, ich fand sogar noch Fotos auf denen ich gestanden habe. Ich habe auch eine Videoaufnahme von der Physiotherapie, da bin ich durch die ganze Praxis gelaufen und bin dabei nur am Erzählen, gar nicht so viel anders als heute.

Am Montag nahm ich die Fotos mit und ging zu der Bewohnerin aufs Zimmer, dort schauten wir uns die Fotos gemeinsam an. Danach bedankte sie sich, sie meinte: „Danke für die Mühe und das Vertrauen, dass Sie mir die Fotos von früher gezeigt haben, auf denen Sie noch laufen konnten, ist für Sie bestimmt auch nicht leicht zu sehen bzw. darüber zu sprechen.“ Ich sagte: „Das habe ich sehr gerne getan und es ist nun mal so wie es ist, ich komme gut zurecht und gehe immer positiv und mit einem Lächeln durchs Leben.“ Die Bewohnerin antwortete: „Sie haben eine sehr gute Einstellung und ich habe Sie wirklich immer nur Strahlen gesehen.“ Danach spielte ich mit einer kleinen Gruppe ein Wurfspiel, dann wollte ich gerade meine Eintragungen machen, da kam eine Kollegin aus der Pflege auf mich zu und bat mich für eine Bewohnerin drüben im Nachbarhaus Zigaretten kaufen zu gehen.

Das tat ich natürlich, ich entschloss mich, außen herum zu fahren und nicht durchs Gebäude, damit ich so nicht mit vielen Menschen in Kontakt komme.

Als ich den Weg außen herum nahm, merkte ich wie stark der Rollstuhl ruckelte. Mein Nacken reagierte und wurde plötzlich weich und hing nach rechts. Ich nahm meine Hand zu Hilfe und hielt den Kopf aufrecht, die Frau im Laden dachte bestimmt auch was mit mir los sei. Den Rückweg ging ich dann doch durchs Haus, damit ich den Nacken nicht noch mehr reizte. Zurück auf Station gab ich der Bewohnerin ihre Zigaretten, dann setzte ich mich vor den PC wegen meiner Eintragungen. Ich musste mein Kopf immer noch mit der Hand stützen, ich setzte mich aufrecht hin und sagte innerlich zu mir, oder eher gesagt zu meiner Krankheit:“ Pass mal auf, es ist mein Körper und ich habe hier immer noch das Sagen, du reißt dich jetzt zusammen, bis ich Feierabend habe oder nächste Woche Urlaub, so lange funktionierst du gefälligst noch.“ Danach ging es wieder und ich konnte die Bewohner zum Essen animieren und dann die Tische abräumen und wischen.

Als ich dann Urlaub hatte, bekam ich Nackenschmerzen, ich will aber nicht jammern! Ich nahm eine Schmerztablette, aber sie zeigte keine Wirkung. Deswegen dachte ich, ich mach einfach wieder eine Schmerztherapie, wie damals. Also morgens eine Ibuprofen, mittags eine Paracetamol und abends wieder eine Ibuprofen, für drei Tage. So lange die Tabletten wirkten, war es auch besser, aber dann bemerkte ich es wieder. Ehrlich gesagt machte mir der Schmerz nicht so viel aus, da halte ich einiges aus. Aber dieses Gefühl, den Kopf nicht aufrecht halten zu können, und die Angst, dass es vielleicht ein Fortschreiten der Krankheit sein könnte, machten mich verrückt! Für mich war klar, dass auch mit reinspielte, dass ich fünf Monate nicht mehr bei der Physiotherapie war, wegen Corona. Ich beschloss so bald wie möglich wieder hin zu gehen. Nach dem Urlaub ging ich mit Schmerzen zur Arbeit, ehrlich gesagt ging ich schon weit über die normale Schmerzgrenze hinaus, aber deswegen schonte ich mich nicht. Ich arbeitete weiter, vielen von Ihnen nennen es jetzt bestimmt Dummheit oder Verantwortungslosigkeit, ich nenne es Pflichtbewusstsein gegenüber meinen Kollegen und meinen Bewohnern und vielleicht bin ich auch dickköpfig.

Am nächsten Arbeitstag klebte ich mir vor der Arbeit ein Wärmepflaster auf den Nacken, schon nach ein paar Stunden war es wie ein Unterschied zwischen Tag und Nacht. Ich konnte unter viel weniger Schmerzen arbeiten und das Beste, ich konnte meinen Kopf halten, da war mir klar, es war kein Fortschreiten der Krankheit, sondern extreme Verspannungen, sonst hätte die Wärme nichts gebracht. Seitdem sind die Wärmepflaster meine neuen Alltagshelden.

Trotzdem musste ich noch zwei Wochen Schmerztherapie dranhängen.

Ich sehe das Positive: ich habe jetzt zwar das aber dafür sind meine Ohrenprobleme, nach den ersten paar Tagen Arbeit nicht mehr aufgetreten. Jetzt genug von diesem Mist, ich werde wieder strahlen. Damit ich wieder ich bin und meine Familie, Freunde und meine Bewohner wieder ihren, wie sie mich nennen, Sonnenschein zurückhaben.

Vier Tage bevor das MRT stattfinden sollte, rief ich noch einmal bei Roche an und fragte, ob ich jetzt den Härtefallantrag für Typ 2 stellen kann. Ich wurde sehr nett von der Mitarbeiterin beraten, sie sagte mir, dass sich wegen Corona alles etwas nach hinten verschoben habe. Sie aber gestern beantragt haben, dass man eventuell in zehn Tagen auch bei Typ zwei den Antrag stellen kann. Ich war sehr froh das erfahren zu haben. (Am 19.08. rief mich die Dame von Roche an und sagte, dass ich jetzt schon den Antrag stellen kann. Ich freute mich sehr, aber ich entschied mich erst richtig zu freuen, wenn ich Risdiplam tatsächlich in den Händen halte).

Endlich war der 17.08.20 gekommen, also mein MRT-Termin. Ich freute mich sehr endlich den Termin zu haben, ich musste zum ersten Mal ins MRT. Sonst wurde immer eine normale Röntgenaufnahme der Wirbelsäule gemacht, um ehrlich zu sein ist mir das MRT viel lieber, da ich dabei liegen konnte. Bei der Röntgenaufnahme musste ich nämlich immer auf einem kippeligen Hocker sitzen und die Arme nach vorne ausstrecken. Ich hatte immer Angst, dass der Hocker umfällt, deswegen fand ich das MRT komfortabler. Trotzdem ist es im MRT ein bisschen, als läge man in seinem eigenen Sag, da es sehr eng ist und komplett geschlossen. Außerdem ist es etwas laut.

Nach dem MRT hatte ich endlich die Aufnahmen, sofort zu Hause machte ich einen Brief mit dem Aufnahmen (CD) fertig. Dann hatte mein Neurologe noch zwei Wochen Urlaub, als er zurück war, war er die ersten zwei Woche sehr beschäftigt. Deswegen verschob sich alles etwas nach hinten. Am 23.09.2020 beschlossen mein Neurologe und ich, den Härtefallantag für Risdiplam zu stellen!
Ich überprüfe jetzt täglich meine E-Mails, da jeder Zeit die Antwort kommen könnte. Bitte drücken Sie mir die Daumen, dass der Antrag schnellst möglich genehmigt wird!

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